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Das Jahr geht zu Ende

Wir sassen mal wieder wegen eines Streiks fest und mussten einmal mehr improvisieren. Als uns die Materialen für die Renovation des Hauses ausgingen, nutzten wir die Zeit um Bäume zu pflanzen. Bei uns hat es endlich begonnen regelmässig zu regnen und die Böden sind auch wieder gut getränkt. Also passte alles und wir konnten in drei Tagen 50 neue Bäume pflanzen. Michi hatte einen wichtigen Zahnarzttermin in Quito und am gleichen Tag erwarteten wir Besuch aus der Schweiz. Da die Strassen aber wegen des Streiks alle blockiert waren, konnte er nicht den normalen Weg fahren und musste einen Umweg von vier Stunden in Kauf nehmen. Er hat deshalb viele neue Strassen und Fähren gefunden, die nirgends verzeichnet sind und die man nur findet, wenn man die jeweiligen Anwohner fragt, wo der schnellste Weg nach Loreto ist.

Auf der Fähre über den Rio Napo

Am Tag darauf, bei der Rückfahrt mit Christine (unsere Besucherin) waren dann bereits die Strassenblockaden verschwunden und man konnte wieder den normalen Weg fahren. Bis sich nach einem Streik in Tena wieder alles normalisiert und alles wieder vorrätig ist, dauert es schon einige Tage. Die Streikenden haben sich, Tena und uns immerhin 14 Tage von der Umwelt abgeschnitten. Ob sie mit dieser Aktion Erfolg hatten, wird sich erst nach den Feiertagen zeigen. Falls nicht, wird der Irrsinn wieder von vorne beginnen. Wir verstehen das Anliegen, welches an den Präsidenten gerichtet ist sehr gut und finden das neue Gefängnis mitten in der Stadt auch idiotisch. Die eigene Stadt aber von der Aussenwelt abzuschneiden ist garantiert nicht der richtige Weg und bringt vor allem viel Unverständnis in der eigenen Bevölkerung.

Auch wir versuchen die Weihnachtstage etwas ruhiger zu gestalten. Leider war die Vorweihnachtszeit überhaupt nicht ruhig. Einmal mehr war es Michi der festgestellt hat, dass man im Schutzwald von Selva Viva aktiv Gold wäscht. Es wurden zwar keine Bagger eingesetzt, aber mit Wasserpumpen wurde das Ufer abgewaschen. Nach Rücksprache mit dem neuen Geschäftsführer von Selva Viva, Lester Espin, stellten wir Fotofallen auf und konnten so innert weniger Tage die Personen identifizieren. Der Geschäftsführer ist dann auch gleich mit den drei Waldhütern und Christine, die ja Präsidentin von Selva Viva ist, zu diesen Personen hin gegangen und hat das Gespräch gesucht. Mal schauen, ob sie nochmal auf den Kameras auftauchen werden, denn davon wissen sie nichts.

ausgewaschene Uferböschung

Nur gerade einen Tag später hat uns unser niederländischer Nachbar angerufen und erzählt, dass er soeben einen Bagger mit einer Waschanlage von seinem Grundstück verscheucht hat. Der Bagger sei im Fluss in unsere Richtung unterwegs.

Bagger mit Waschanlage im Rio Cusano

Da liegt aber noch ein Grundstück des Hotels Casa del Suizo dazwischen. Und genau da hat sie Michi dann auch mit der Drohne gefunden. Joëlle hat sofort die Besitzer vom Casa del Suizo und noch viele Personen mehr informiert. Damit die Kommunikation aller involvierten Personen einfacher wurde und alle auf dem gleichen Stand gebracht werden mussten, eröffnete Joëlle eine WhatsApp Gruppe. Innert weniger Stunden konnte so die Umweltpolizei und das Militär informiert werden und sie warteten nur noch auf den Befehl zum Ausrücken. Der Geschäftsführer von Selva Viva hat es sogar geschafft den Gouverneur der Provinz Napo auf den Plan zu rufen.

Michi schaute mit Hilfe der Drohne immer wieder, wo die Goldwäscher sich gerade befanden und Casa del Suizo ging direkt vor Ort, um nachzuschauen.

Bagger im Rio Cusano und flussaufwärts die Waschanlage

Noch in der gleichen Nacht wurde es den Goldwäschen vermutlich zu gefährlich und sie haben sich aus dem Staub gemacht. Casa del Suizo hat die Verantwortlichen dieser illegalen Goldwaschaktion enttarnt und mit ihnen gesprochen. Das war eine extrem erfolgreiche Aktion, bei der alle am gleichen Strick zogen und dem illegalen Goldwaschen in unserer Region der Kampf angesagt wurde. Es zeigt uns endlich, dass wir doch nicht die einzigen sind die dieses grüne Paradies hier, solange dies noch möglich ist, erhalten wollen. Leider hat sich aber auch einmal mehr gezeigt, dass die vermeintlich gleichgesinnten Projekte dem Umweltschutz doch nicht so nahestehen, aber dafür andere, von denen wir es nicht erwartet hätten, uns tatkräftig beistanden und mithalfen.

Bagger auf der Isla Anaconda geparkt, bis zum Einbruch der Dunkelheit

Für uns neigt sich ein schwieriges Jahr dem Ende zu. Wir mussten viele schwere Entscheidungen treffen, was unser Projekt Finca Don Sigifredo betrifft. Wir erlitten viele Rückschläge und hatten so einige Zweifel. Joëlles Job hat uns aber in finanzieller Hinsicht viel Ruhe gebracht und sichert die Existenz der Finca Don Sigifredo. Die erfolgreiche Aktion gegen die Goldwäscher war ein sehr versöhnlicher Abschluss für uns. Klar ist, wir werden uns selber treu bleiben und uns auch nächstes Jahr wieder für den Umweltschutz stark machen, auch wenn das natürlich nicht allen gefällt.

Sonnenaufgang im Nebel

Nachträglich noch schöne und besinnliche Weihnachten, die ihr alle hoffentlich hattet, und dann vor allem einen guten Start ins neue Jahr.

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Ferien mal anders

Michis Bruder Thomas und seine Partnerin Tina sind uns besuchen kommen. Sie haben uns viele Leckereien und noch andere Überraschungen aus der Schweiz mit gebracht. Danke vielmals dafür! Die Chance, mal wieder gemeinsam Ferien zu machen, haben wir natürlich genutzt. Wir haben so daraufhin gearbeitet, dass alle offenen oder dringenden Arbeiten bei ihrer Ankunft erledigt sein sollten. Es hätte fast geklappt, aber wir hatten ja noch Zeit während ihrer Akklimatisierung den Rest zu erledigen. César und seine Familie passten in den zehn Tagen unsere Abwesenheit auf unser Haus und die Tiere auf. So konnten wir dann auch zusammen losfahren. Wir waren an Orten, die man als Tourist ohne ein Auto nicht einfach besuchen kann. Ecuador leidet immer noch unter der grössten Dürre aller Zeiten und so hatten wir also auch in den Ferien «Strom-Abschaltungen». Das waren recht spezielle Situationen, wenn im Hotel auf einmal alles dunkel und ruhig wurde. Wir legten uns einfach früher schlafen und standen dafür etwas früher auf. Wir waren auch im Intag Tal das bekannt ist für seine schönen Nebelwälder. Es hatte schon Wälder, die waren aber nicht grün und sämtliche Kulturflächen waren braun und ausgetrocknet. Es hatte da seit Mitte Juni nie mehr geregnet, weshalb alles ausgetrocknet ist. Von Nebel war weit und breit nichts zu sehen. Leider hatte es auch sehr viele Waldbrände die nicht nur Anbauflächen, sondern auch Wälder verbrannten.

Sichtbare Spuren der Trockenheit und der Brände

Wir erkundeten das Tal und waren völlig überrascht eine uralte Kulturstätte zu finden: Wariman oder auch Gualimàn mit dem Sonnentempel der Cara Kultur bzw. der Cacicazgos. Diese Zivilisation lebte dort vor den Inkas, also vor über 3000 Jahren.

Es befindet sich auf einem Hochplateau mitten im Tal. Die Hänge sind senkrecht abfallend und es gib nur eine Zufahrt, sie ist sehr, sehr steil und man kommt nur mit einem 4X4-Fahrzeug hoch.

Drohnenfoto des Hochplateaus

Wir bekamen eine ausgiebige Führung, die super interessant war und wir lernten viel über die Kultur und von den Vorfahren der Inkas. Alles hat ein Ende, so auch unser Urlaub, der aber sehr erholsam war. Thomas und Tina blieben noch einige Tage länger als wir in Mindo, dem grössten Vogelparadies der Welt. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Vogelarten. Als die beiden wieder bei uns waren, machten wir noch einige Ausflüge und Waldspaziergänge von hier aus. Auch ihre Ferien gingen vorbei und Michi brachte sie für Ihre Rückreise zum Flughafen nach Quito.

Kaum waren sie abgeflogen tauchten wir wieder in die Arbeitswelt ein und es kam der nächste Schock. In der Provinz Napo in der wir leben, wird gestreikt. Das bedeutet das öffentliche Leben wird mittels Strassenblockaden zum stillstandgebracht. Seit einer Woche sind alle wichtigen Verkehrsknotenpunkte blockiert, wir kommen nicht mehr nach Tena. Der Grund für die Proteste ist das geplante neue Hochsicherheitsgefängnis in Archidona. Bis jetzt war das Gefängnis eins für Leute, die ihre Busen nicht bezahlen konnten oder wollten. Also eher leichte Vergehen wie z.B. Trunkenheit am Steuer, nicht Bezahlen der Alimente oder Diebstahl. Nun soll es umgebaut werden und daraus ein Hochsicherheitsgefängnis für Schwerkriminelle entstehen. Das jetzige Gefängnis steht mitten im Dorf umgeben von Schulen. Nicht unbedingt der passende Ort für ein Gefängnis nach Bukele-Manier. Mal sehen, wie lange die Proteste andauern werden. Unsere Vorräte halten noch einige Tage, nur mit dem Benzin für den Generator könnte es knapp werden.

Strassensperre in Archidona – Foto: PRIMICIAS

Mittlerweile ist unser Bambusprojekt bekannt dafür, dass wir über Lagerbestand verfügen und somit kleine bis mittlere Mengen sofort abgeholt bzw. geliefert werden können. Genau jetzt hatten wir so eine Expressbestellung von einem Architekten der schlechte Ware eingekauft hat. Ja, das passiert, wenn man nur auf den Preis achtet. Leider können wir wegen des Streiks nicht liefern und so geht uns einmal mehr ein guter Auftrag verloren. Das ganze Bambusprojekt ist ins Stocken geraten da Ecuador von einer Krise in die nächste schlittert und somit der Tourismus komplett eingebrochen ist. Kaum jemand investiert in Neubauten oder Renovationen. Alle geplanten Projekte, für die wir liefern sollten, sind auf Eis gelegt oder ganz abgesagt worden. Seit Joëlle einen zusätzlichen Job hat und damit ein Zusatzeinkommen, das im Moment unser Haupteinkommen ist, können wir auch wieder ruhiger schlafen, weil wir dadurch abgesichert sind. Sie redigiert Dokumente für ein Schweizer Unternehmen. Dazu braucht sie Internet und hat einen Laptop des Unternehmens. Um während der Stromunterbrüche trotzdem arbeiten zu können, ist auch dafür der Generator und das Benzin so wichtig.

Michi hat festgestellt, dass am Haus ein tragender Balken am Verfaulen ist und der drohte durchzubrechen. Er musste ihn ersetzen und da hat er gleich einen resp. zwei Stahlträger verwendet. Er hatte das noch mit Thomas angeschaut der ihm viele Tipps geben konnte. Danke dafür! Es war nicht ganz einfach. César und Michi haben es aber geschafft, ohne weiteren grösseren Schaden anzurichten. Beim Kontrollieren des Nachbarbalkens stellten sie dann fest, dass der inwendig komplett am Verfaulen ist. Auch den müssten sie schnellstmöglich ersetzten, aber da ist ja der Streik und wir können keine Träger kaufen gehen. Nun muss das warten weshalb der Balkon aus Sicherheitsgründen bis dahin gesperrt bleibt.

Bei UNS gab es, zumindest in der letzten Zeit, wieder einige Regengüsse. Die Böden sind zwar noch nicht gesättigt aber wir hoffen auf mehr Regen. So planen wir endlich unsere 100 neuen Bäume auszupflanzen. Die sollten eigentlich schon im Juli eingepflanzt werden aber wegen der Trockenheit war das unmöglich. Es sind hauptsächlich Nussbäume und zwei Harthölzer die wir am Waldrand einpflanzen werden. Wir müssen Platz schaffen für die neue Samenzeit die Im Januar beginnen sollte.

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Der Kampf gegen die Goldwäscher

Durch den stetig steigenden Goldpreis wird der illegale Goldabbau immer attraktiver. In der Provinzhauptstadt Tena gibt es kein einziges Autohaus; in der ganzen Provinz Napo kann man keinen Neuwagen kaufen. Aber in Tena hat vor zwei Monaten bereits das FÜNFTE «Baggerhaus» eröffnet, dort kann man sich direkt einen neuen Bagger besorgen. Wir haben schon mehrmals über den illegalen Goldabbau in unseren Beiträgen berichtet. Jetzt konnten wir leider auch viele Beweise sammeln, die Personen vom benachbarten Umweltprojekt betreffen. Für uns ist klar, dass wir nicht mehr mit diesem Projekt oder diesen Personen zusammenarbeiten werden und sie auch nicht mehr unterstützen, solange diese Doppelmoral herrscht. Wir bedauern sehr, dass all die gutgläubigen Spender vom betreffenden Projekt so dreist hinters Licht geführt werden.

Dragas (rechts) im Einsatz am Rio Arajuno auf der Höhe des amaZOOnicos (links) am 12. Oktober 2024

Ecuador ist das erste Land der Welt welches den Natur- und Tierschutz in der Verfassung verankert hat; somit haben die Natur und die Tiere Rechte. Leider ist die Korruption in Ecuador sehr gross. Es werden Millionen an Schmiergeldern bezahlt, so dass viele Beamte nicht hin- bzw. wegsehen. Der Übergangpräsident, Daniel Noboa, hat diesen Sommer ein Gesetz gegen den Terrorismus verabschiedet. Der Präsident kann nun selbst bestimmen, welche Organisationen oder sogar einzelne Personen als Terroristen eingestuft werden und kann diese mit Hilfe des Militärs bekämpfen, ohne zuvor den Notstand ausrufen zu müssen. Das ist eine gefährliche Macht, die sich da der Präsident verschafft hat. Das einzig positive ist, dass Präsident Noboa ein vermeintlich grünes Gewissen hat und den illegalen Bergbau als terroristischen Akt an der Natur betrachtet und so das Militär losschicken kann. In der letzten Woche kam es gleich zu zwei Aktionen in unserer direkten Umgebung gegen das illegale Goldwaschen. Das Militär ist aufgetaucht und hat sogleich Personen verhaftet und mit der Zerstörung der insgesamt 10 Bagger und einigen Waschanlagen begonnen. Das Militär muss jetzt nicht mehr Abklärungen treffen oder Material beschlagnahmen, es kann direkt Zerstören. Eine Aktion fand in unserer Gemeinde, Ahuano, statt.

Natürlich haben das die Goldwäscher bei uns am Arajuno mitbekommen und ihre Arbeiten eingestellt. Keiner will, dass das Militär auch hier auftaucht. Mal schauen, wie lange dieser positive Effekt anhält.

AmaSelva hat vor gut zwei Jahren eine Drohne gekauft, die sie bei uns auf der Finca Don Sigifredo stationiert haben. Wir fliegen sie sowohl im Auftrag von AmaSelva als auch von Selva Viva, haben aber auch die Erlaubnis sie anderweitig einzusetzen. In der Zeit, seit wir die Drohne bei uns haben, konnten wir schon vieles aufdecken. Sie ist besonders hilfreich gegen das illegale Goldwaschen. Da viele Minen nicht so einfach einzusehen sind, entdecken wir sie schnell bei einem Überflug. So können wir das Wachstum der Mine gut verfolgen und auch ganz genaue Koordinatenpunkte nehmen. Bei Überfügen über den Wald kontrollieren wir auch, ob es illegalen Holzschlag gibt. Besonders bei Sekundärwäldern mit hohem Aufkommen von Balsabäumen müssen wir gut schauen; die sind schnell geerntet. Wir setzten die Drohne aber auch ein, wenn wir das dumpfe Knallen von Dynamit im Fluss hören. Wir schicken sie gleich los, um zu schauen welche Personen mit Dynamit am Fischen sind. Auf den hochaufgelösten Bildern sind auch aus sicherer Entfernung die Gesichter gut erkennbar.

MIne am Rio Rodriguez angrenzend an Selva Viva

Solche Daten geben wir immer an Selva Viva weiter und informieren auch die Besitzer der Drohne, AmaSelva. Wir machen uns so natürlich nicht immer beliebt und wir müssen uns auch immer wieder bedeckt halten und die Drohne einige Zeit am Boden lassen. Leider gibt es eine Flugverbotszone quer über dem Schutzwald von Selva Viva. Das ist die Anflugschneise vom hiesigen Flughafen. Leider erkennt unsere Drohne das, und so können wir dort nicht fliegen. Als die Goldwäscher gerade in dieser Zone Gold abbauten, hat sich Michi dazu hinreissen lassen die Drohne mit einem Trick trotzdem Starten zu lassen. Zweimal hat es für zwei Minuten funktioniert und er konnte gut festhalten, wo und auf welchem Land gewaschen wurde. Aller guten Dinge sind drei, oder eben auch nicht. Das dritte Mal hat sich die Drohne zu schnell mit dem GPS verbunden und sogleich eine Notlandung in der verbotenen Zone eingeleitet – zum Schreck über dem Fluss. Michi konnte sie nur noch schnell ans Ufer fliegen, wo sie dann im Wasser verschwand. Er tauchte gleich hinterher, aber fand sie nicht sofort. Es dauerte etwa zwei bis drei Minuten, bis er sie am Grund ertastete. Sofort nahm er den Akku ab und versuchte so viel Wasser auszuschütteln, wie es ging. Zu Hause schraubte er alles, was möglich war auf und legte es in Reis an die Sonne. Nach einer Woche und vielen Stunden der Reinigung setzte er sie dann wieder zusammen. Der Akku hat es nicht überlebt, er hat sich gebläht und droht zu platzen. Die Stunde der Wahrheit war gekommen, und Michi wollte die Drohne zum Testen starten. Die Motoren sprangen an und die Drohne hob wieder ab. Glück gehabt! Privat nutzen wir sie hauptsächlich, um schöne Bilder zu machen.

Im Hintergrund ist Ahuano sichtbar

Die Wasserknappheit hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ecuador trocknet aus. Die Stauseen sind fast leer und das bedeutet das noch verschärfter Wasser gespart werden muss. Seit bereits fünf Wochen wird der Strom abgeschaltet, um Wasser zu sparen. Am Anfang waren es sieben Stunden, dann acht und dann wurde zehn Stunden lang der Strom abgeschaltet. Inzwischen sind es sogar 14 Stunden am Tag, in denen wir nicht mit Strom versorgt werden. In gewissen Regionen wird sogar das Wasser für die Haushalte abgestellt. In Tena haben viele Geschäfte keinen Generator und schliessen einfach in dieser Zeit. Für uns ist das eine Herausforderung, was die Organisation betrifft. Wenn wir etwas besorgen müssen, wissen wir nie genau ob geöffnet ist oder nicht und wir fahren einfach mal auf gut Glück nach Tena. Am Anfang des «Stromsparens» haben wir uns einen grösseren Generator gekauft. Michi hat eine Installation gemacht, so dass nun das ganze Haus angeschlossen ist. Danke Claudio für die Info, Tipps und Tricks! So ein grosser Generator ist auch nicht der leiseste, die Lärmbelastung ist stark und kann einem recht auf die Nerven gehen. Michi hatte aber auch da eine Idee und hat Lärmschutzwände gebaut. Die reduzieren den Lärm hörbar, so dass man sich bei der Arbeit auch wieder konzentrieren kann.

Wir haben immer wieder kleine Aufträge, bei denen wir einige Bambus Stangen oder Latten verkaufen können. Kleine Mengen haben wir an Lager. Als kürzlich von einem bestehenden Kunden von uns eine neue Bestellung für 50 Stangen dünnwachsenden Bambus kam, waren wir sehr erfreut darüber. Er wollte ihn gewaschen, grün und auf vier Meter zugeschnitten. Ja, darüber freute sich auch der Bauer, bei dem wir diese spezielle Bambussorte einkaufen. Wir wollten die seit rund einem Jahr im Bau befindlichen Gebäude mal anschauen und haben deshalb den Transport gleich selbst übernommen. So machten wir einen schönen Ausflug in das Luxus Resort Richtung Puyo.

Bereits zur Abfahrt

In der Hotelanlage Heimatlos hat man eine wunderschöne Aussicht über das ganze Amazonasbecken von Ecuador. Die neuen Bungalows, die aus unserem Bambus gebaut wurden und immer noch werden sind traumhaft! Der Ausblick vom eigenen Whirlpool ist atemberaubend, aber eben im Luxusbereich. Eine Nacht wird rund USD 450 kosten, das ist nichts für unser Budget.

Es würde uns sehr freuen, wenn die zukünftigen Bungalows auch mit unserem Bambus gebaut würden.

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Besucher der Nacht

In Ecuador herrscht die schlimmste Dürre seit rund 60 Jahren. Es betrifft nicht nur den Regenwald, sondern das ganze Land. In den Anden brennt es überall. So auch letzte Woche in der Hauptstadt Quito. Das Feuer ist über einen Park bis in die Stadt reingekommen und hat einige Häuser zerstört. Auf Grund des Wassermangels wird logischerweise Wasser gespart, das heisst es wird Strom gespart. Bis die Stauseen wieder Normalstand haben wird es lange dauern. Bei uns wurde letzte Woche jeweils zweimal pro Tag für fünf Stunden der Strom ausgeschaltet, dies betrifft das ganze Land. Das macht es uns schwer etwas zu planen oder einkaufen zu gehen. Wer keinen Generator besitzt aber auf Strom angewiesen ist muss in dieser Zeit schliessen. Wir haben uns einen grösseren Generator gekauft, so dass wir das ganze Haus anschliessen können und Michael trotzdem noch in der Werkstatt arbeiten kann. Die Trockenzeit ist noch nicht vorbei und wir werden sehen, wie lange noch Strom gespart werden muss.

Durch die Dürre sind auch die Flusspegel gesunken. Wegen des niedrigen Wasserstands können die Kanus kaum mehr mit viel Last fahren. An den ehemals tiefen Stellen des Flusses entstanden kleine Lagunen, wo sich die Fische drin sammeln. Das heisst gesammelt hatten, denn es hat da keinen Fisch mehr. Einige Personen haben mit Dynamit gefischt. Ja, dies ist höchst illegal und auch sehr gefährlich. Leider ist es aber hier noch weit verbreitet. Wir verurteilen das aufs schärfste und jedes Mal, wenn wir einen Knall hören, schicken wir die Drohne von AmaSelva los um zu schauen wer es ist. Es sind immer wieder dieselben Personen, die wir beim Einsammeln der wenigen Fische fotografieren.

Da wir den Akt des Reinwerfens des Dynamits nicht festhalten können, haben wir keine offiziellen Beweise und können deshalb auch keine Anzeige machen. Wir sprechen aber mit den Leuten und verweigern ihnen folglich jegliche Hilfe oder Zusammenarbeit. Leider sehen das nicht alle hiesigen Umweltorganisationen so wie wir, sogar dann nicht wenn es direkt vor ihrem Strand geschieht. Auf unserem Flussabschnitt ist es sichtlich ruhiger geworden, seit wir die Drohne zum Fotografieren der Täter fliegen lassen. Dafür hat es Flussabwärts jetzt zugenommen. Der niedrige Flussstand hat leider auch die Goldwäscher angelockt. Die Flussufer werden mit kleinen Waschanlagen, sogenannte Dragas, richtiggehend ausgewaschen.

Draga mit Saugschlauch im Einsatz
Ein wenig Flussabwärts wurde die Wäsche im vom aufgewühlten Schlamm verschmutzten Wasser gewaschen…
…und zum Trocknen auf die Steine gelegt.

Ja, auch das ist illegal und wir können nichts dagegen machen. Bis die Polizei sie auf frischer Tat stellen kann, sind die Goldwäscher längst vorgewarnt und haben mit dem Waschen aufgehört. Auch hier kennen wir die Leute, die Gold waschen, und wen wundert es… es sind immer die gleichen Familien. Leider mussten wir feststellen, dass der Besitzer einer Öko-Lodge und eines Naturschutzprojekts ebenfalls Gold waschen lässt. Er besitzt selbst eine Draga und seine Mitarbeiter waschen für ihn Gold – für uns unverständlich. Nicht nur, dass man den Lebensraum vieler Wassertiere zerstört, auch der Lärm der Wasserpumpe ist für uns wie aber auch für Touristen sehr nervend. Wir sind dabei die Zusammenarbeit mit den betreffenden Projekten zu beenden, da wir auf keinen Fall damit in Verbindung gebracht werden wollen. Um es mit den Worten einer Frau zu sagen, die ihn von ihrem Land verwiesen hat: Warum macht er das? Er hat doch eine Lodge, ein Naturschutzprojekt und ein teures Auto, er hat doch alles. Warum muss er noch unser Land abwaschen? Auf meinem Land wird nicht gewaschen, ausser ich tue es selbst.

Wir haben immer mal wieder nächtliche Besucher. Über die einen freuen wir uns mehr und über die anderen etwas weniger. Wenn der Greifstachler (Coendou spp.) bei uns vorbei kommt, riecht Michael ihn schon von weitem oder er weiss, dass er mal wieder da war. Der Greifstachler gehört zu der Familie der Nagetiere und ist in der Nacht unterwegs. Die männlichen Tiere haben eine Drüse die – sagen wir es mal so – in der menschlichen Nase nicht gut riecht aber für seine Damenwelt unwiderstehlich ist. Greifstachler sind eher gemütliche Tiere und bewegen sich langsam; nur keine Eile. Aufgrund der Stacheln haben sie fast keine Fressfeinde, ausser der Harpyie, auch Affenadler genannt, und dem Jaguar. Solange er unser Holzlager nicht anfrisst, ist er willkommen.

Uns besuchen aber auch einigen Schlangen in der Nacht. Die Abgottschlange (Boa constrictor) frisst hauptsächlich kleine Nager oder kleine Opossums. Somit ist sie herzlich willkommen bei uns. Die Regenbogenboa (Epicrates cenchria) ist schon etwas seltener, aber auch nicht so beliebt. Ihren Namen hat sie wegen der Lichtbrechung auf ihrer Haut, die bei Bestrahlung wie ein Regenbogen schimmert. Geschlechtsreife Tiere leben hauptsächlich am Boden und jagen da auch. Immer wenn eine Henne Küken hat, bleibt sie mit ihnen in der Nacht, die ersten zwei Wochen, am Boden und wärmt so die Küken. Das ist der Moment wo die Regenbogenboa kommt und die Küken lautlos unter der Henne rausholt. Beim zweiten oder oft auch erst beim dritten Jungtier merkt die Henne, dass da was nicht stimmt und wird nervös, da sie die Schlange in der Nacht nicht gut sehen kann. Durch das nervöse Gackern werden wir dann aus dem Schlaf geholt und gehen nachschauen. Die Schlange hat es nicht eilig, warum auch, wenn sie sich schnell bewegt wird sie von den Hühnern ja entdeckt. Uns sind so leider schon einige Küken abhanden gekommen. Unser Hühnerstall bietet Schutz gegen Fressfeinde, aber eine Schlange findet immer irgendwo ein Loch, etwa so wie die Mäuse.

Regenbogenboa mit Beute
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Rundumblick

Vor gut drei Wochen hatten wir einen gewaltigen Sturm. Der Wind kam den Rio Napo hoch gefegt und traf ungebremst auf die Insel Anaconda, es hat uns sehr hart getroffen. So starke Winde haben wir hier noch nie erlebt und in der Schweiz auch erst einmal, bei Lothar (1999). Es bildete sich eine Windhose, weshalb der Sturm von allen Seiten kam. Das der Strom ausfiel war mehr als verständlich. Der Sturm brachte auch etwas Regen mit sich, der dann von allen Seiten ins Haus rein gepeitscht wurde und so das ganze Haus unter Wasser setzte. Wir haben ja keine Glasfenster, die man schliessen kann. So waren wir vor allem damit beschäftigt alle elektrischen bzw. elektronischen Geräte ins Trockene zu bringen oder abzudecken. Das Ganze dauerte nur etwa eine Stunde und dann war der Spuck auch schon wieder vorbei. Als wir raus konnten um zu schauen was alles zerstört wurde stellten wir schnell fest, dass die Wasserleitung gerissen war. Zum Glück war das in der Nähe unseres Hauses und wir reparierten sie noch in der gleichen Nacht provisorisch, so dass der Tank sich nicht leerte. Am Haus waren nur kleine Schäden entstanden und bei der Werkstatt hatte sich eine Dachplatte verabschiedet und ein Balken wurde aus der Verankerung gerissen.

Schaden am Dach der Werkstatt

Am nächsten Morgen sahen wir dann aber das ganze Ausmass der Zerstörung. Bäume wurden entwurzelt und/oder einfach enthauptet. Urwaldriesen, die schon über hundert Jahre alt waren, wurden zu Fall gebracht.

Plantagen auf der Insel Anaconda wurden platt gewalzt und viele Häuser wurden abgedeckt. Wir waren einige Tage damit beschäftigt aufzuräumen und zu reparieren was möglich war. Ja, das Reparieren war eine Geduldssache da der Strom erst nach vier Tagen wieder floss. Die Hauptleitung wurde zerrissen und 12 Pfosten sind umgefallen, dass musste die Stromfirma auch erst mal reparieren und ersetzen.

Joëlles Weg, der Waldlehrpfad, wurde vom Sturm auch nicht verschont und so mussten wir da ebenfalls den Weg freischneiden und teilweise sogar neu anlegen. Michi hatte die Idee am höchsten Punkt des Weges einen Aussichtsturm zu bauen. Von dort oben hat man einen wunderschönen Rundumblick. Der Sturm hat die ehemalige Weidefläche zusätzlich gerodet, so dass die Aussicht dadurch noch erweitert wurde. Da Michi das schon lange geplant hatte, wurden die Fundamente bereits vor dem Sturm gegossen. Mit dem Bau, natürlich wieder aus Bambus, hat es dann aber etwas gedauert. Das langwierigste war das ganze Material da hochzubringen – Steine, Sand, Zement und wegen der Trockenzeit auch das Wasser. Wir kamen uns schon manchmal so vor wie Sisyphus der den ganzen Tag da Steine hoch trug, immerhin kamen wir oben an und es hat sich auch gelohnt.

Michi und César haben beim Bauen auch diesmal wieder junge Männer ausgebildet. Das Grundgerüst mit dem Dach war schnell erstellt, so dass wir im Schatten arbeiten konnten. Aufgrund der exponierten Lage müssen wir den Turm vor Sonne, Wind und Regen schützen. Die alten Dachplatten, die sich beim Sturm von der Werkstatt gelöst hatten, konnten wir hier gleich wieder verwenden und haben damit den Aussichtsturm eingekleidet.

Der einmalige Rundumblick lädt zum Verweilen ein. Für Ornithologen ist der Turm ein super Ort um Vögel zu beobachten. Wir werden auch noch einige spezielle Busch- und Baumsorten in der Umgebung pflanzen um noch eine höhere Vogelvielfalt anzulocken. Die Tukane und Arassaris haben uns aber zuerst genau beobachtet und aufgepasst, dass da ja alles mit rechten Dingen zu und her geht. Nun können wir im Gegenzug sie und viele andere Arten in Ruhe beobachten.

Wir haben uns bei «Red de Bosques (CNBRPE)» als Mitglieder beworben. «Red de Bosques» ist eine Organisation von privaten Waldbesitzern bzw. -schützern aus ganz Ecuador. Wir kennen sie von früher, aus der Zeit als wir den amaZOOnico leiteten. Damals war Selva Viva ein aktives Mitglied dieser Organisation und wir haben an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen bzw. mitgeholfen. Nun wird Finca Don Sigifredo aufgenommen. Das freut uns sehr, denn das Netzwerk was da besteht ist sehr gross und über ganz Ecuador verteilt. Unser Wald wird über «Red de Bosques» beim Umweltamt als privates Naturschutzgebiet registriert werden, was leider für Privatpersonen nicht möglich ist. Als privates Naturschutzgebiet haben wir aber auch Verpflichtungen und dürfen dann in unserem als geschützt deklarierten Wald keine Bäume mehr fällen. Im Gegenzug erhalten wir aber durch das Netzwerk oder vom Umweltamt Hilfe im Falle von illegalen Tätigkeiten auf unserem Land. Durch eine einmalige Aufnahmegebühr wird die Registrierung durch «Red de Bosques» vorgenommen, was Joëlle natürlich sehr freut. Doch Papiere musste sie trotzdem ausfüllen und das waren nicht gerade wenige, aber wenigstens muss sie die Behördengänge nicht selbst machen. Für unser Projekt ist das ein Meilenstein und es freut uns sehr, dass wir bald ein deklariertes Naturschutzgebiet haben das unter Schutz steht und anerkannt ist. Wir werden euch auf dem Laufenden halten und euch mitteilen, so bald wir den Status erhalten haben.

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Umdenken

Die Regenzeit ist vorbei. Das bedeutet nicht, dass es bei uns jetzt nicht mehr regnet. Die Niederschlagsmengen sind einfach viel geringer. Wie bereits in einem früheren Blog erwähnt, haben auch wir El Niño zu spüren bekommen. Wir hatten nicht mehr Regentage als in den Vorjahren, aber die Intensität war enorm. Wir hatten mehrmals innert vier Stunden 154 mm Niederschlag. César und Michi haben deshalb eine Bestandesaufnahme gemacht, wie viele Erdrutsche es bei uns gab und vor allem, wie viele Bäume umgefallen sind und ob man deren Holz nutzen kann. Es gab leider mehrere Dutzend Erdrutsche sowohl auf den Weiden als auch im Wald.

Sehr viele Bäume sind umgefallen, es hat auch Harthölzer darunter. Gleich drei sind in nächster Nähe gefallen, auch ein Mahagoni ist dabei. Nun müssen wir abwägen, ob wir das Holz holen sollen. Falls ja, stellt sich die Frage: «wie Schneiden wir es, Bretter oder Balken?» Wo wir es lagern, ist dann das nächste Problem. Am besten wäre es, wenn wir es gleich an jemanden verkaufen könnten. Wir haben aber noch etwas Zeit, die Bäume sind so hart, dass sie locker noch ein bis zwei Jahre liegen bleiben können, ohne zu verrotten.

Uns hat auch die Trockenzeit direkt getroffen. Noch vor zwei Wochen hatten wir viel Regen, jetzt fehlt er. Die Trockenzeit kam viel zu früh und das bekommen wir stark zu spüren. Der Wasserspiegel unseres Fischteiches ist um 70 cm gefallen und die wenigen Niederschläge können das nicht wett machen.

zu wenig Wasser im Teich

Zum Glück sind unsere Fische hart im Nehmen, aber so kann es nicht bleiben. Michi und César suchten und fanden die alte Wasserfassung des ehemaligen Hauses. Michi hat berechnet das zwischen 1200 – 1400 Liter (ca. 0.91 Liter pro Minute) pro Tag fliessen, und das in der Trockenzeit (zehn Tage ohne Regen). Viel zu wenig Wasser fürs Haus, aber für den Fischteich hilft das schon. So haben wir beschlossen die alte Fassung wieder in Stand zu setzen. Michi machte es natürlich gleich richtig und baute verschiedene Filter und Tanks ein, damit der neue 350 Meter lange Schlauch nicht so schnell verschmutzt.

Nun läuft das Wasser in den Teich und so können wir die Wasserverdunstung ausgleichen. Nach Regenfällen sollte mehr Wasser fliessen und so dazu beitragen, dass sich der Teich schneller wieder füllt. Um den Teich aber noch schneller wieder aufzufüllen, haben wir auch damit begonnen, das Dachwasser umzuleiten. Wir befürchten stark, dass sich die Trockenperioden in Zukunft häufen und länger andauern werden – von einem Extrem ins andere, so wie auch im Rest der Welt. Heute zu trocken, morgen überschwemmt und umgekehrt.

Wasser läuft

Wir haben viel Weidefläche durch Erdrutsche verloren und noch zusätzliche zwei Hektaren durch die Ölgesellschaft. Denn durch unser Land führt die Ölpipeline. Seit Anfang Jahr wird sie alle drei Monate gereinigt. Das bedeutet, dass ein 12 Meter breiter Korridor über der Pipeline freigeschnitten wird, auf dem nichts wachsen darf. Bei der Reinigung wird das Gras so tief geschnitten, dass die Grasnarbe beschädigt wird. Sobald sich das Gras erholt hat, wird es erneut geschnitten. So bleibt keins mehr für die Kühe übrig. Wir haben uns schweren Herzens dazu entschlossen, Michi mehr Joëlle, die Kühe zu verkaufen. Wir suchten einen Käufer der die ganze Herde übernehmen würde um sie nicht direkt dem Metzger übergeben zu müssen. Wir fanden jemanden der sie haben wollte und wurden uns auch über den Preis einig. Leider zahlte er dann doch nicht und hat sich auch nicht wieder bei uns gemeldet. So mussten wir erneut auf die Suche gehen. Wir hatten Glück und fanden erneut jemanden. Er hat mehrere Höfe und wird einige Tiere für die Zucht behalten. Andere bleiben bei ihm, bis sie grösser sind und gehen erst dann in den Schlachthof. Für uns war es sehr wichtig, dass sie einen guten Platz bekommen mit eingezäunter Weidefläche und nicht an einem Pfahl angebunden werden. Da der Fleischpreis erneut gesunken ist waren wir froh, dass wir doch noch etwas verdient haben und nicht draufzahlen mussten. Letzte Woche haben uns dann unsere Kühe verlassen.

Kühe bereit zum Transport

Wir waren schon etwas traurig, besonders Michi. Keine Kühe mehr zu haben, eröffnet aber auch neue Chancen, und was hilft besser über den Verlust hinweg zu kommen, als gleich neue Projekte zu planen? Ein grosser Teil der Weiden wird natürlich wieder aufgeforstet. Wir werden auch vermehrt Bambus pflanzen, aber nur in der Nähe der Strasse. Michi hat aber noch ein ganz anderes Projekt im Kopf, das er aber zuerst fertig denken und planen muss, und dann ist da noch die Frage der Finanzierung. Mal sehen, er wird sicher wieder etwas bauen, denn damit hat er schon begonnen, aber man könnte das Ganze noch ausbauen, umso touristisch attraktiv zu werden. Dazu aber mehr, wenn es dann soweit ist. Jetzt haben wir erst einmal damit begonnen die Zäune abzubauen. Beim ursprünglichen Bau der Zäune wurde nicht gerade wenig Stacheldraht verwendet. Eines ist klar, es wird uns sicher nicht langweilig werden ohne die Kühe.

Beginn neues Projekt
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Swissness im Regenwald

Als Michael in der Schweiz war hat er eine Kuhschelle im Keller seiner Eltern entdeckt. Gleich kam ihm die Idee, daraus eine Hausklingel zu machen – wir hatten bis jetzt einen grossen Triangel. Leider haben das nicht alle Leute verstanden und mit dem Metallstab überall anders drauf gehauen als auf den Triangel. Britta, die Lehrerin der Sommerschule, hat uns dann die Kuhschelle aus der Schweiz mitgebracht. Michael hatte nämlich keinen Platz mehr in seinem Gepäck. Nun hängt die Schelle am Eingangstor. Wir hatten eine kleinere Diskussion, ob es denn eine Glocke oder Schelle ist. Eine Glocke ist gegossen und hat einen Widerhall im Klang. Eine Schelle wird aus einem Blech geformt und vernietet oder verschweisst. Ob Glocke oder Schelle hat nichts mit der Grösse zu tun, aber es ist natürlich auch umgangssprachlich je nach Region und Dialekt unterschiedlich. Es war ja auch der Schellenursli und nicht der Glockenursli. Michis Vater Hans ahnte 1979, als er das Winterschiessen gewonnen hatte und diese Schelle bekam, noch nichts davon, dass die mal im Regenwald von Ecuador als Hausklingel enden würde. 

Schelle mit eigenem Dach

Michi hatte aber noch was ganz anderes im Gepäck als er aus der Schweiz nach Hause kam. Er brachte 10 Bruteier vom Schweizerhuhn (alte ProSpecieRara Rasse) mit. Ob das legal war, wissen wir nicht – sie wurden aber auch nicht beschlagnahmt. Neun Eier kamen heil im Regenwald an. Walravens, unsere Nachbarn, haben eine Brutmaschine für ihre Geflügelzucht. Sie haben für uns freundlicherweise die Eier bebrütet. Trotz aller Ungläubigkeit von vielen Personen waren sechs Eier befruchtet und vier Küken sind dann auch geschlüpft. Leider ist eines noch am gleichen Tag gestorben. Nun rennen drei kleine Schweizerhühner bei uns im Garten rum. Es sind eine Henne und zwei Hähne. Für den überschüssigen Hahn haben wir schon einen Platz. Wir werden ihn unseren Nachbarn für die Blutauffrischung in der Geflügelzucht geben. 

Sina, Büne und Kuno

Wir haben begonnen eine zweite Lagerhalle für das Trocknen von Bambus zu bauen. Da wir immer mehr Erfahrung haben mit dem Bauen mit Bambus, kamen wir sehr schnell voran. Nach nur zwei Tagen war das Dach schon montiert und wir konnten bereits im Trockenen bzw. im Schatten arbeiten. Auch dieses Mal haben wir einen jungen Mann mitarbeiten lassen. So können wir immer mehr Personen im Bau von Bambus schulen. Bei der Trocknungshalle handelt es sich um eine einfache Bauweise, mit Verstrebungen wird sie gegen den Wind gestützt. Die Regale in der Halle, müssen aber sehr genau gearbeitet werden. Jedes Fach muss über drei Tonnen Bambus tragen können. Sie ist für 180 Stangen Bambus Gigante oder für 300 Stangen Bambus (Guadua) à je 6 Meter konzipiert. Bevor wir sie aber in Betrieb nehmen können, müssen wir noch den Boden zementieren. Das bedeutet Steine schleppen. Da haben wir gerade ein kleines Problem, denn uns fehlen die Steine und sie im Fluss zu holen ist sehr zeit- aber vor allem kostenintensiv. Da wir keine Eile haben zögern wir es noch etwas raus und warten bis die Strasse repariert wird. Da werden wir im gleichen Arbeitsaufwand einige Steine kaufen können, sie werden dann geliefert und mit dem Bagger hingelegt. Das wird hoffentlich in ca. zwei bis vier Wochen der Fall sein.

Als Britta einmal nach ihrer Joggingtour zurück kam fragte sie Michi ob er mit der Zahl 127 was anfangen könne. Es war die Anzahl PET-Flaschen die sie am Strassenrand im Wald von Selva Viva gezählt hatte. Ok dachten wir uns, da muss etwas geschehen. Deshalb organisierten wir einen «Clean Up Day» (Strassenreinigung) mit allen Partnerprojekten von Selva Viva um wieder einen sauberen Wald zu haben. Wir teilten unser Vorhaben der jeweiligen Geschäftsstelle von Selva Viva, amaZOOnico, Liana Loge und der Gemeinschaft 27 de Febrero mit. Die Finca Don Sigifredo übernahm dabei die Koordination von allen Helfern und spendierte die Verpflegung. Am letzten Freitag war es soweit und wir legten los mit dem «Wald putzen». Insgesamt waren 15 Personen gekommen, die nun gemeinsam die 4.5 Kilometer lange Strasse durch den Schutzwald reinigten.

Müllsammeltruppe

Bereits nach drei Stunden hatten wir es geschafft. Es türmten sich am Ende 6 Säcke mit PET-Flaschen, 5 Säcke mit Müll und ein halber Sack mit Metall. Die PET-Flaschen und das Metall geben wir zum Recyceln und der Rest nahm die Mühlabfuhr mit.

Jede Menge Müll wurde eingesammelt

Die Idee war aber auch, dass ein ungezwungener Austausch in lockerer Atmosphäre unter den einzelnen Projekten stattfinden könnte. Das war aber leider nur bedingt möglich. Einige Geschäftsführer haben ihre Abwesenheit entschuldigt und trotzdem Volontäre aus ihrem Projekt geschickt. Andere haben sicherlich in guter Absicht irgendwelche Personen geschickt, die nichts mit den Projekten zu tun haben. Und wieder andere sind gar nicht erst erschienen. So konnte nur bedingt ein Austausch beim Waldspaziergang und dem anschliessenden Essen stattfinden. Das war sehr schade, aber es war trotzdem ein gelungener Tag für die Umwelt. Der neue Geschäftsführer von Selva Viva, Lester Espin, der selbst mithalf hat sich bei allen beteiligten herzlichst für ihre Mithilfe bedankt. Bei allen Helfern kam die Aktion gut an. Wir freuen uns schon jetzt darauf, dieses tolle Event zu wiederholen! Dann werden wir versuchen alle Geschäftsführer zu motivieren, selbst mitzuhelfen. Unser Ziel ist es, beim gemeinsamen Müllsammeln einen lockeren und informellen Austausch zwischen den Partnerprojekten auf Leitungsebene zu schaffen.

Pause beim Waldhüterhaus «Casa Blanca»
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Sommerschule

Blogbeitrag von Britta Scheunemann

2022 hat es mich zum ersten Mal nach Puerto Barantilla verschlagen, wo ich während drei Monaten in dem kleinen Schulhäuschen neben dem Haupthaus der Finca Don Sigifredo einzelne Klassen unterrichtet und an zwei Tagen in der staatlichen Zwerg- und Mehrklassenschule flussabwärts ausgeholfen habe. Der Lernstand nach über zwei Jahren Schulschliessung wegen Covid und indigenen Unruhen im Land war katastrophal… Als ich dann wieder in die Schweiz aufgebrochen bin, da hatte ich ein Stück meines Herzens hier im Dschungel gelassen und das Gefühl, wiederkommen zu müssen, um nicht eine dieser Freiwilligen zu sein, die mit Menschen arbeiten, ein paar nette Selfies machen und dann wieder in den Wohlstand abreisen. So entstand die Idee der Sommerschule in Puerto Barantilla und 2023 war ich im Juli erneut in Ecuador, um zu sehen, wie diese Idee wohl ankommt. Sie kam gut an, die Kinder fragten, wann sie kommen dürften, die Eltern waren dankbar und ich hatte riesige Freude, auch wenn das Ganze als One-Woman-Show doch auch recht anstrengend war. Aber es stand ausser Frage, dass ich wiederkommen würde, und so haben wir in diesem Jahr mit dem zweiten Sommercamp gestartet. An Spitzentagen waren bis zu 13 Kinder vor Ort und das Schulhäuschen ist aus allen Nähten geplatzt, die Stühle reichten kaum aus und das Essen mussten wir auch strecken, denn (machen wir uns nichts vor), die Tatsache, dass es ein Frühstück mit Haferbrei und Obst gibt und wir auch gemeinsam Mittag essen, ist zweifelsohne ein gewisser Attraktivitätspunkt.

Ein Tag im Leben der Maestra (d.h. Lehrerin auf Spanisch) sieht in der Regel wie folgt aus: Aufstehen gegen 6 Uhr, wenn Hector und Yuma laut an ihren Hundeschüsseln klappern, einen Tee im Hängestuhl trinken – ebenso wie Michi und Joëlle einen Kaffee vor ihrem Haus – und den Blick und die Geräusche des Dschungels geniessen. Die Tische vorbereiten und mit Material bestücken, um 7.25 Uhr Aufbruch, um die Kinder abzuholen, die mit einem Extraboot alle eingesammelt werden und bereits am Ufer beginnen, die Köpfe zu zählen, um blitzschnell die Essensplanung anzupassen und zu überlegen, wie viele Kopien denn noch fehlen. Vor dem Eingangstor der Finca Don Sigifredo werden die Kinder dann recht still und halten sich eng hinter mir – Hector und Yuma haben einen Ruf, auch wenn sie sich gut an die Kids und mich gewöhnt haben. Erster Halt dann am Waschbecken zum Händewaschen, denn ganz oft beginnt unsere erste Aktivität mit dem Einsammeln von Müll am Wegesrand, den wir dann auf dem Müllgestell abstellen, das Michi 2022 für uns gebaut hat und das ich mit den Kindern bemalt habe. Der Müll muss ja erhöht liegen, damit nicht irgendwelche Tiere alles verteilen.

Die Schuhe bleiben vor der Tür und dann ist Schulstart mit dem Morning Song und einer Doppellektion Englisch. Am Ende der Lektion darf das Tablet (ich habe mittlerweile 11 ausrangierte Tablets meiner eigenen Schule mitnehmen können) mit der Lernapp Anton benutzt werden, wo die passenden Übungen zum Gelernten zu finden sind – so enden übrigens auch die Lektionen in Mathematik und Sprache. Dann kommt das erste Highlight: das Frühstück, bestehend aus Porridge mit Früchten. Manchmal gibt es auch einen selbstgebackenen Zopf! Alle Kinder wollen immer Früchte schneiden und lutschen dabei hingebungsvoll an Ananasresten oder Erdbeerstrünken herum. Wir essen vor dem Schulhäuschen, dann wird noch ein bisschen gespielt, bevor es mit Mathematik weitergeht. Das Niveau liegt um Jahre hinter dem unseren. Ich habe den Eindruck, dass das Dezimalsystem irgendwie mit dem Kichwauniversum nicht ganz kompatibel ist und auch die Zahl 0 bereitet grosse Mühe. Hinzu kommt, dass das ecuadorianische Schulsystem auf Abschreiben basiert: gemeinsames Arbeiten, Lückenaufgaben, Textaufgaben, kurz, alles, was mit Transfer und Vernetzungen zu tun hat ist nur schwach ausgeprägt bis gar nicht vorhanden.

Nach 40 Minuten Mathematik rauchen allen die Köpfe dermassen, dass wir erneut eine kurze Pause machen, bevor es mit Sprache weitergeht. Rechtschreibeübungen, Reime, Wortarten und Sätze waren in diesem Jahr unser Thema. Und auch hier begrenzt die Welt den Wortschatz: so wusste beispielsweise niemand, was ein Vikuña ist – das lebt zwar in den Anden Ecuadors, aber wir befinden uns halt in der Amazonía. Auch die Viper oder der Flamingo waren ausserhalb der Wissens- und Vorstellungswelt ebenso wie die Kontinente und damit war ebenfalls das Wort bzw. der damit verknüpfte Inhalt unbekannt. Aber immer wieder gab es auch Überraschungen wie diesen Vers einer Schülerin der Sommerschule – wir hatten tatsächlich eine Dichterin unter uns:

La noche tiene una gran cuna
Plateada y serena: es la luna.

Zum Abschluss des Vormittags standen dann Bastelarbeiten mit den Jüngeren und niederschwellige physikalische Experimente mit den etwas Grösseren auf dem Plan. Zum Glück gibt es das Internet mit vielen Ideen, meine eigene Kreativität ist da eher beschränkt und auch die Naturwissenschaften gehören nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen.

Und dann wurde gekocht – vieles gemeinsam mit den Kindern, einiges habe ich aber jeweils am Vortag vorbereitet. Dank Joëlles Licuadora (Mixer) konnten wir auch oft frische Säfte zubereiten. Da immer alle helfen wollen, war es jedoch mitunter etwas schwierig sämtliche Jöbli gerecht zu verteilen. Beim Kochen haben wir natürlich die Lebensmittelpyramide bearbeitet und Rechnen geübt, denn es muss ja immer gewogen und gemessen werden. Aber das Pizzablech gerecht auf 6 Personen aufzuteilen hat mathematisch so gut wie nie geklappt, denn dazu muss natürlich gemessen und richtig dividiert werden. Auch die Küchenwaage war den meisten ein Rätsel und viele Kinder hatten bereits Mühe, die Zahlen auf der Anzeige zu entziffern – die Vorstellung von Gramm und Kilogramm ist ebenfalls fast inexistent. Grösstes Mysterium war jedoch zunächst der Messbecher, aber mittlerweile haben die meisten gelernt, dass dort Milliliter bzw. Liter und Gramm angezeigt werden und man tunlichst auf die Abkürzungen ml und g achten soll. Gegessen wurde wieder draussen am grossen Tisch, aber erst wenn alle sassen und jeder etwas auf seinem Teller hatte: dann haben wir uns die Hände gereicht und laut «Buen provecho» oder «Enjoy your meal» gerufen – seltsame Gringositten halt 😊.

Viele Kinder haben dort zum ersten Mal unbekannte Dinge gegessen (Brokkoli, Blumenkohl, Tortilla española, Gemüsegratin) und normalerweise blieb nie etwas übrig. Wenn jemand etwas nicht mochte, dann fanden sich sofort Abnehmer*innen und die Reste musste ich immer sehr gerecht verteilen. Einige Kinder haben auch nach einer Tüte gefragt; sie haben oftmals nicht aufgegessen, um etwas für ihre Familie mitzunehmen. Mittlerweile weiss ich, wo es besonders knapp ist und kann dann auch gezielter die Reste mitgeben. Danach wurde abgewaschen, Zähne geputzt, der Besen geschwungen und alle wieder zum Boot gebracht, das so gegen 13.15 Uhr abfuhr.

Danach galt es für mich nachzubereiten, zu dokumentieren und den nächsten Tag vorzubereiten, einmal durchzuwischen und das Bad zu putzen. Besonders gefordert haben mich die Bastelarbeiten, da ich alles zunächst selbst ausprobieren musste, ebenso wie die Experimente. An dem Vulkan aus Backpulver und Essig bin ich beispielsweise immer gescheitert: das liegt entweder an der Luftfeuchtigkeit oder dem ecuadorianischen Essig und wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.

Manchmal war auch die Wäsche dran – Joëlles und Michis neue Waschmaschine kann sogar Wasser aufheizen und die im Display angezeigte Zeit stimmt haargenau!

Oft bin ich gegen 17 Uhr dann noch eine Runde joggen gegangen – ist etwas abenteuerlich auf der elenden Schotterpiste, aber was soll’s, irgendwann kannten alle die rennende gringa loca (verrückte Ausländerin) riefen mir «hola maestra» zu oder boten mir eine Mitfahrgelegenheit an. Manchmal ging es auch als Abendspaziergang mit einer grossen Tasche über die Kuhweiden bzw. Joëlles neuen Weg zu meinem Lieblingszitronenbaum, um mich für die Woche mit Zitronen einzudecken – ich trinke hier im Dschungel Unmengen an Zitronenlimonade und auch die Kinder haben sie ebenfalls gern, sofern genügende Zuckermengen drin sind… Die Dämmerung war dann immer ein besonders schöner Moment: im Hängestuhl sitzen, lesen und den Geräuschen zuzuhören. Und dann war ich meistens auch schon so müde, dass ich gegen 20 Uhr geschafft ins Bett gefallen bin. So viel wie hier in Puerto Barantilla schlafe ich sonst nie. In diesem Jahr habe ich allerdings zum ersten Mal ein Mückennetz gebraucht, da es bedeutend feuchter ist als bei meinen letzten Aufenthalten und nachts so einiges an Getier um mich herumflog. Einmal waren sogar zwei Fledermäuse zu Besuch in meinem Schlafzimmer im oberen Stock des Schulhäuschens.

Fazit: Auch die zweite Sommerschule und mein dritter Aufenthalt sind sehr positiv aufgenommen worden. Ich beginne immer besser durch die hiesigen Strukturen durchzuschauen und viele Menschen kennen mich. Mittlerweile werde ich auch nicht mehr gefragt, ob ich wiederkomme, sondern wann…

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Regenzeit

Was in Europa die vier Jahreszeiten sind, sind bei uns die Regen- und Trockenzeit und was halt so dazwischen liegt. Seit Mitte April befinden wir uns in der Regenzeit. Wer jetzt denkt, dass es bei uns den ganzen Tag regnet, der irrt sich. Wir haben in etwa gleich viele Sonnen- wie Regenstunden. Die Intensität des Regens nimmt einfach stärker zu und er ist anhaltender. Dieses Jahr ist die Trockenzeit ohne Vorwarnung direkt in die Regenzeit übergegangen. Der Monat Mai war ein Rekordmonat, was die Regenmenge betrifft. Bei uns fielen über 730 mm Niederschlag. So viel hatten wir bis dahin noch nie gemessen. Das gute ist ja, dass das Wasser bei uns schnell abfliesst und so keine grösseren Überschwemmungen verursacht werden. Die Böden sind aber mittlerweile sehr gut getränkt und fangen an zu rutschen, so gibt es einige kleine aber auch grössere Erdrutsche.

Leider betrifft dies auch unsere Weiden. In den «Voranden» hat es in den letzten Wochen so stark geregnet, dass es zu vielen Erdruschen kam und zeitweise alle Strassen nach Tena verschüttet waren. Mittlerweile ist die Strasse nach Quito wieder offen, aber nur während des Tages, in der Nacht wird sie aus Sicherheitsgründen gesperrt.  Die Strasse nach Baños war ebenfalls für mehrere Tage unpassierbar und das hatte zur Folge, dass auch unser Gemüsehändler nicht durchkam. Macht nichts – wir hatten noch Reserven und wer braucht denn schon immer frischen Salat? Solch ergiebige Niederschläge in den «Voranden» haben bei uns zur Folge, dass der Fluss Arajuno innert einer Stunde rund drei bis vier Meter ansteigt, obwohl bei uns die Sonne scheint. Für die Leute mit Kanu ist es immer wieder eine Herausforderung, den Fluss gut im Auge zu behalten. Denn sonst kann es sein, dass das Kanu versinkt oder, noch schlimmer, es vom Treibholz mitgerissen wird. Die ansässige Bevölkerung (bei uns) wartet noch auf das grosse Finale der Regenzeit, das normalerweise mit der Überschwemmung der Insel Anaconda endet. Dabei steigen die Flüsse Napo und Arajuno über vier Meter an, vereinigen sich und werden drei Kilometer breit. So ein Ende gab es letztmals im Jahr 2019. Wer weiss, vielleicht hat der Klimawandel auch dieses Phänomen sterben lassen.

Der Regen kommt

Wir haben bereits über die fleissigen Blattschneiderameisen berichtet. Was wir da nicht erwähnt hatten, ist dass es verschiedene Arten gibt. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die eine Art im Boden drin riesige Bauten errichtet und man sie sehr leicht loswerden kann, in dem man ihren Pilz «vergiftet». Es gibt aber auch Blattschneiderameisen, die ihre Bauten über der Erde errichten. Sie suchen etwas höher gelegene Stellen, bevorzugt an Sträuchern oder an Grasbüscheln. Geschütz vom Regen beginnen sie einen Hügel zu bauen der nur aus geschnittenen Blättern besteht.

Fleissige Blattschneiderameisen

Darin lassen sie einen Pilz gedeihen, von dem sie sich dann ernähren. Unter dem Pilz liegen die Brutkammern für ihre Eier. Der Pilz sorgt nämlich auch gleich für ein konstantes Klima innerhalb des Baus. Wir haben gleich mehrere Bauten rund ums Haus entdeckt. Diese Art ist besonders gefrässig, da sie ihren Bau immer wieder aufs Neue decken müssen, um Wassereinbruch zu verhindern. Sie sind richtige Architekten, was das anbelangt. Aber sie sind auch richtige Gourmets, sie lieben vor allem unseren Hibiskus und unseren Kräutergarten. Der Oregano wurde innert einer Nacht zerkleinert und davongetragen. Um sie loszuwerden, muss man erst einmal ihre Bauten finden. Wie gesagt, sie sind oft gut versteckt und die Ameisen sind nachtaktiv. Den Pilz zu vergiften ist nicht möglich, da unsere Hühner die dazu ausgestreuten Haferflocken gleich selberfressen würden. Insektengift ist für uns keine Option. Wen man den Bau mechanisch zerstört, bauen sie ihn einfach wieder auf und bebrüten die unversehrten Eier weiter bis sie wieder eine Königin haben. Ja, die sind Stammestreu. Es bleibt uns nur eine Weise sie loszuwerden und das ist mit Feuer.

Es war ja klar, dass wenn Michi in die Ferien geht unsere Kühe auf sehr dumme Gedanken kommen. Nicht nur dass sie den Zaun durchbrechen und das Gras auf der andern Strassenseite Fressen wollen, denn da ist es ja bekannterweise grüner und viel besser. Nein, sie randalieren richtiggehend. Tatiana hat es dabei etwas übertrieben. Sie ist sogar in unser Bambusbecken gefallen. Das heisst wir sind uns nicht sicher, ob sie eine Unterwassertherapie wollte oder es ein Versuch war sich selbst zu Pökelfleisch zu machen. Wir werden es nicht erfahren. Als sie in das Becken fiel, hat es so laut platsch gemacht, dass die Leute an der Strasse schauen gegangen sind was da los war und so konnten sie Joëlle schnell informieren.

Tatiana im Becken

Es war Samstag und César arbeitete nicht, so rief Joëlle unsere niederländischen Nachbarn an die zum Glück gleich zur Hilfe eilten. Auch César und seine Söhne, die nicht weit entfernt in ihrer Yukaplantage arbeiteten, kamen schnell zur Hilfe. Das Becken ist zwischen 170 cm und 185 cm tief und somit kommt die Kuh da nicht mehr alleine raus. Joëlle hat auch alle Gaffer um Hilfe gebeten, die dann aktiv mitanpackten Tatiana aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Es eilte natürlich auch, denn sie durfte auf keinen Fall zu viel Salzwasser schlucken und das stand ihr im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals. Andre und Dennis haben den Grund des Beckens mit Autoreifen gefüllt, so konnte Tatiana auch fast schon selber raussteigen, aber eben nur fast.

Tatiana kann leider nicht selber raussteigen

Sie musste doch noch stark angehoben werden und unsere Tatiana ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Im Nachhinein kann man das Ganze tatsächlich mit etwas Humor nehmen, aber in der Situation selbst möchte man mit einer so dummen Kuh direkt zum Metzger fahren.

Tatiana hat einige Schrammen und ist müde, aber wohl auf

Ihr geht es gut und alle Helfer haben ein verdientes Bier bekommen. Michi ist ja jetzt zurück und die Kühe weiden wieder ruhig und glücklich auf der Weide. Das Bambusbecken mussten wir leider komplett abpumpen da sich Tatiana natürlich darin mehrmals versäuberte und es somit mehr einer Güllengrube als einem Immunisierungsbecken glich.

Die Helfer beim wohlverdienten Bier
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Vampire auf dem Vormarsch

Was sich anhört wie in einem Gruselfilm, ist leider bei uns gerade ein grosses Thema. Die Gemeine Vampirfledermaus (Desmodus rotundus) ist auf dem Vormarsch und verbreitet sich schnell. Vampirfledermäuse ernähren sich ausschliesslich von Blut. Sie bevorzugen grössere Säugetiere aber auch ab und zu Vögel als Nahrungsquelle. Sie sind nachtaktiv und fliegen nahe an ihre Futterquelle heran, worauf sie sich dann lautlos an ihr Opfer anschleichen.

Foto: iNaturalist Ecuador

Mit ihren messerscharfen Vorderzähnen machen sie einen kleinen Schnitt. Sie bevorzugen Stellen die gut durchblutet sind wie z.B. hinter dem Ohr, am Nacken, an den Fussfesseln oder am Schwanzansatz. Die betroffenen Tiere spüren oft nichts da es ein ganz kleiner Schnitt ist. Die Fledermaus speichelt nun in die Wunde. Ihr Speichel verzögert die Blutgerinnung und so läuft das Blut raus und sie kann es auflecken. Da die Blutgerinnung erst nach etwa fünf Stunden einsetzt, kann die Fledermaus dasselbe Tier mehrmals pro Nacht anfliegen und ihren Hunger stillen.

Fledermausbiss

Leider übertragen Fledermäuse auch Krankheiten und vor allem die Vampire die Tollwut. Da sie sich gerne an Nutztieren bedienen und es diese vermehrt gibt, hat sich ihr Bestand vervielfacht. Leider hat sich aber dadurch auch die Tollwut verbreitet. Vor zwei Monaten gab es Tollwutfälle etwa 20 km von uns entfernt. Das Veterinäramt hat gleich eine grossangelegte Kampagne zur Tollwutimpfung durchgeführt, und zwar bei allen Haus- und Nutztieren. Früher wurden sogar Fallen aufgestellt, um so die Vampirfledermäuse einzufangen und den Bestand klein zu halten. Mit Corona musste Ecuador sparen und so hat man auch das abgeschafft. Das ist der Grund, weshalb es jetzt wieder viel mehr Vampirfledermäuse gibt. Wir haben angefangen die gebissenen Kühe mit einem speziellen Gift gegen die Vampire zu behandeln, um den Bestand bei uns und in der Region klein zu halten.

Da Joëlle wegen ihrer Arbeit nun noch mehr im Büro sein muss hat sie sich einen Waldweg in der Nähe des Hauses gewünscht, um vor dem Eindunkeln jeweils einen Spaziergang im Wald machen zu können. Michi hat sich den Kopf zerbrochen, wo das am einfachsten umsetzbar wäre. Er hatte die zündende Idee auf der dem Weg zum Einkaufen. Kaum zu Hause musste er natürlich gleich schauen gehen, ob das denn überhaupt möglich sei. Ja, das war es. César und er haben dann auch gleich begonnen einen alten, zugewucherten Weg wieder frei zu schlagen. Der führt aber aus unserem Grundstück heraus uns so mussten sie eine Treppe bauen, die auf den Hügel hinter dem Haus führt. Von da aus hat man eine traumhafte Aussicht über den Fluss Arajuno und unsere Farm.

Ausblick vom Aussichtspunkt

Nun führt der Weg ein kleines Stück über eine Weide und von da wieder zurück in den Wald. Michael wollte natürlich nicht nur einfach so einen Weg bauen, er hat ein Konzept für einen Lehrpfad ausgearbeitet. César und er pflanzten natürlich einige Bäume, welche die Artenvielfalt erhöhen. An Joëlles Geburtstag war der Weg zwar noch nicht ganz fertig, aber sie konnte ihn bereits begehen. Der Pflanzenlehrpfad ist fertig bepflanzt und muss nun einwachsen.

Der Weg beginnt hinter dem Haus und führt über die Weide, vorbei an zehn verschiedenen einheimischen Nutzbäumen, in den Wald. Entlang des Weges haben wir viele verschiedene Bäume gepflanzt bei denen wir nun beobachten können, wie sie wachsen. Am Ende des Weges kommt man bei unserem Fischteich vorbei, wo man auf der Bank dann auch noch etwas verweilen kann. Eine Runde dauert etwa 30 Minuten kann aber auch bis zu zwei Stunden dauern, denn wir entdecken immer wieder was Neues oder vergessen die Zeit beim Beobachten des grossen Blattschneidernests. Joëlle ist glücklich über den Weg und Michi hat sich auch schon ein Weihnachtsgeschenk ausgedacht: eine Sitzbank auf dem Aussichtspunkt. Dafür hat er ja zum Glück noch etwas Zeit.

César mit Jungbaum

Das Wetter spielt auch bei uns verrückt. Kolumbien wie auch Ecuador haben ein Wasserproblem. Bei uns im Amazonasbecken hat es genügend Wasser, aber in den Anden fehlt der Regen und deshalb sind die Stauseen fast leer. Das bedeutet Wasser sparen, denn ohne Wasser kein Strom und so muss erneut Strom bzw. Wasser gespart werden. Ecuador produziert 90 Prozent der Elektrizität mit Wasserkraftwerken. Wir haben schon mal darüber berichtet. Nur dieses Mal ist die Lage viel schlimmer und wir müssen geplant und sehr gezielt arbeiten und einkaufen gehen, ohne Strom gibt es kein Benzin in Tena. Letztes Mal dauerten die Stromausfälle jeweils zwei bis drei Stunden. Jetzt sind es fünf bis sieben Stunden. Wenn wir Glück haben sind es einige Stunden in der Nacht und wenn wir Pech haben ist es von morgens 8.00 Uhr bis nachmittags um 15.00 Uhr. Um das Kind beim Namen zu nennen: das ist dann so richtig scheisse. Wann der Strom abgestellt werden wird, erfährt man immer erst am Vortag und selbst das ist dann auch nicht sicher. Zum Glück haben wir einen Generator. Michi hat ein zweites (Notfall)Stromnetz im Haus installiert. So können wir zumindest die Kühlschränke und das Büro von Joëlle mit Elektrizität versorgen. Alles Andere muss warten bis wieder Strom fliesst. Wir warten sehnsüchtig auf die beginnende Regenzeit und hoffen, dass die Anden viel Wasser abbekommen und so die Stauseen gefüllt werden.