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Vor unserer Haustür

Die Kakaoernte hat begonnen. Bis Mitte Juni können wir nun alle 2-3 Wochen Kakao ernten. Wir waren sehr gespannt, wie die erste Ernte dieses Jahr ausfallen würde. Sie war sehr gut und wir hatten fast keine pilzbefallenen Schoten mehr. Ja, das rigorose Beschneiden hat sich ausgezahlt. Wir konnten auf Anhieb 100 kg ernten. César und sein Bruder haben die Schoten geerntet und Michael war den ganzen Tag damit beschäftigt, sie zu öffnen.

Geerntete Kakaoschoten beim ehemaligen Saustall

Bei der zweiten Ernte mussten wir leider feststellen, dass wir bestohlen wurden. Ein Drittel der Plantage war abgeerntet! Da die Plantage nicht direkt am Haus liegt, haben wir sie nicht immer unter Kontrolle. Wir gehen jetzt mit Kameras vor, um die Diebe auf frischer Tat zu ertappen.

Wir haben eine grössere Bambusbestellung für den Herbst in Aussicht und haben deshalb begonnen, einen kleinen Vorrat an Riesenbambus anzulegen. Wir haben ihn schon gekauft und müssen ihn nur noch ernten. Auch hier werden wir immer schneller und die Abläufe werden langsam zur Routine. Um 70 Bambusse zu schneiden und zu waschen, brauchen wir nur noch 2 Tage, nach 3 Tagen ist er schon im Becken zur Immunisierung.

Als wir nach Ecuador ausgewandert sind, wussten wir schon, dass es hier offene Korruption gibt. Wir hatten Geschichten gehört oder gelesen und teilweise auch persönlich erlebt. Aber jetzt passieren Dinge direkt vor unserer Haustür, die uns fundamental erschüttern. Es gibt Momente, da wissen wir nicht mehr, ob das, was wir hier machen, überhaupt noch Sinn macht.

In einem Blog vom Februar haben wir bereits über eine illegale Goldmine berichtet. Diese Mine liegt von uns aus nur fünf Kilometer flussabwärts. Dort wurde der Flusslauf des Rio Napos stark verändert, indem ein über 100 Meter langer und ca. 6 Meter hoher Damm aufgeschüttet wurde, um in Ruhe Material abbauen zu können. Unser guter Freund Francisco, Besitzer der Anaconda Lodge, hat sich seit September sehr für die Schliessung der Mine eingesetzt. Er hatte mehrere Fernseh- und Radioauftritte und sammelte Beweise für die Bestechung der lokalen Behörden. Es ist bekannt, dass mehr als 500.000 Dollar geflossen sind und jeden Tag weiter fliessen. Für jeden Lastwagen, der Material aus der Mine abtransportiert, erhalten 3 grosse Familien (die viel Einfluss haben) je 1 Dollar. Täglich verlassen 50 bis 70 LKWs die Mine. Inzwischen wird Tag und Nacht abgebaut, was je nach Wind und Wetter auch bei uns zu hören ist. Die lokalen Behörden verkaufen das Treiben unter dem Deckmantel des Fortschritts oder geben vor, grosszügig Strassen zu bauen. Aber der Sand wird gewaschen und das Gold mit Quecksilber herausgelöst. Die Strassen führen einfach in den Wald und zu abgelegenen Flüssen, wo es auch Gold gibt. Dort leben kaum Menschen, deshalb braucht man auch keine Strasse für die Anwohner, denn dort ist nichts ausser Gold im Boden… Die regionalen Behörden dürfen gar keine Genehmigungen für neue Minen erteilen, das kann nur der Staat, genauer gesagt das Ministerium für Bergbau und nicht erneuerbare Ressourcen zusammen mit der Umweltbehörde, und die sitzen in Quito. Francisco ist der lokalen Regierung und den Minenbetreibern so auf die Füsse getreten, dass sie ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben. Die lokale Gemeinschaft mit ihrer lokalen Vertretung in Tena hat zur „justicia idigena“ aufgerufen, das bedeutet Selbstjustiz und das Gesetzt wird in die eigenen Hände genommen. Ja, man wollte ihn zum Schweigen bringen. Die Staatsanwaltschaft hat Francisco zu seinem eigenen Schutz unter Hausarrest gestellt. Von einer Rückkehr in sein Heimatland Chile wurde ihm abgeraten, da er auch dort nicht sicher wäre. Er und seine Frau haben nun ein humanitäres Visum für die USA erhalten und sind letzte Woche in einer Nacht- und Nebelaktion geflohen. Doch damit ist für ihn noch nicht Schluss. Er wird demnächst mit der internationalen Presse an die Öffentlichkeit gehen und hofft so, dass zumindest diese Mine geschlossen wird. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

Für uns bedeutet das, dass wir nicht mehr überall und zu allem unsere Meinung sagen sollten, weil wir nicht wissen, wer in diese Korruption verwickelt ist. Auch in anderen Partnerprojekten trauen wir niemandem mehr, da wir aufgrund gewisser Vorkommnisse davon ausgehen müssen, dass gewisse Personen ebenfalls in den Geldfluss involviert sind. Die einzige Person, der wir im Moment noch vertrauen, ist unser Mitarbeiter César.

Die Mine befindet sich direkt beim Zusammenfluss von Rio Napo und Rio Arajuno

Somit sehen wir uns gezwungen, diese unsägliche Umweltzerstörung schweigend mit anzusehen. Denn zu unserem eigenen Schutz dürfen wir uns nicht öffentlich dazu äussern. Was uns endgültig und schmerzlich bewusst wurde, als sich Francisco aus Sicherheitsgründen gerade mal zwei Tage vor seiner Abreise von uns verabschiedete.

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Rechtsstreit und Kakao

Endlich konnten wir in unserer Kakaoplantage mit der Arbeit beginnen. Wir haben es ja schon einige Male erwähnt, dass wir einen Rechtsstreit hatten. Dieser Streit konnte nun endlich vor Gericht ohne Urteil beigelegt werden. Aber jetzt die ganze Geschichte von Anfang an: Als wir uns entschieden haben das Landstück von Christine von Steiger zu kaufen, hatte sie noch einen Pächter der das Land bewirtschaftete und auch im Haus am Rio Barantilla wohnte. Vicotr wurde ein halbes Jahr im Voraus darauf aufmerksam gemacht, dass man ihm beim nächsten Besuch die Pacht kündigen werde. Ihm wurde die Pacht gekündigt mit der Zusicherung, dass er nach erfolgtem Besitzerwechsel für uns Arbeiten könne und weiterhin im Haus wohnen dürfte. Victor glaubte aber, dass die Kündigung und der alte Pachtvertrag nicht korrekt seien und verklagte Christine auf eine Lohnnachzahlung. Vor dem Arbeitsgericht wurde aber bestätigt, dass alles seine Richtigkeit hat und somit die Pacht vorbei ist und er keinen Anspruch auf Lohnzahlungen hat weil es eben ein Pacht- und kein Arbeitsvertrag war. Er durfte ja jederzeit alles Erwirtschaftete behalten und musste auch keinen Pachtzins bezahlen.

Als wir dann letzten Juli in Ecuador ankamen hatten wir nicht damit gerechnet, dass Victor und seine Familie uneinsichtig sind und das Gerichtsurteil nicht akzeptierten. Wir suchten viele Male das Gespräch und haben ihm dabei immer wieder zugesichert, dass er für uns arbeiten könne und im Haus wohnen bleiben dürfe. Er weigerte sich den Vertrag den wir ihm anboten zu unterschreiben. Er hat einfach weiterhin unser Land für sich selbst bewirtschaftet. Deshalb sahen wir uns nach ein paar Monaten gezwungen rechtliche Schritte einzuleiten. Für unseren Anwalt war die Sachlage klar und wir wussten, dass wir Recht hatten. Da Victor auf Zeit spielte, die wir ja leider nicht hatten da wir endlich mit unserer Plantage beginnen wollten, hat er noch nebenbei eine Besitzanspruchsklage angedroht. So eine Klage kann gut zwei bis drei Jahre dauern da sie vor einem Zivilgericht geführt werden muss. Dort fehlen aber die Richter. Es gibt seit der Corona Krise nur noch einen Richter für diese Art von Fällen – und das für die ganze Provinz Napo. Man stelle sich das mal vor, nur einen Richter für einen Kanton in der Schweiz oder für ein Bundesland in Deutschland… Als unser Fall vor Gericht kam gab uns der Richter nochmals eine Möglichkeit eine Einigung zu finden was wir auch nutzten. Wir wollten nicht, dass Victor verliert denn die Folge für ihn wäre Gefängnis gewesen. Dies wegen nicht Anerkennung eines Gerichturteils (Pachtkündigung) und Zeitverschwendung des Gerichts wegen eines Falls der keiner ist. Wir fragten Victor was er denn von uns wolle. Wir staunten nicht schlecht was seine Forderungen waren: 10 ha Land, das Haus und USD 7000, dafür würde er seine Besitzanspruchsklage nicht einreichen. Das war dann aber für uns zu viel des Guten und wir boten ihm das Haus an, das darum liegende Land bis zur Strasse und für seine Anwaltskosten USD 2000. Uns war bewusst, dass die Zeit die wir verlieren würden und die Aufwände die durch das weiterführen dieses Falls und einer Besitzanspruchsklage entstünden viel kostspieliger wären und wir hatten sowieso nie vor in diesem Haus zu leben. Erst wollte er unser Angebot nicht annehmen. Sein Anwalt hat ihm aber unmissverständlich klargemacht, dass es das Beste sei was er erhalten könne. So hat er dann doch noch eingewilligt. Vor dem Richter wurde unsere Vereinbarung mündlich aufgenommen und dann vom Richter schriftlich bestätigt und beglaubigt. Leider hat uns das viel Zeit und sehr viel Geld gekostet aber dafür haben wir jetzt Ruhe und die Differenzen zwischen Victor und uns sind endlich geklärt.

Naja, leider noch nicht ganz endgültig. Wir pachten noch zusätzliche 4 ha Land von Christine. Aber auch dieses Land wird immer noch von Victor bewirtschaftet und es besteht auch dort ein Rechtsstreit (zwischen ihm und Christine). Seit einem Jahr wartet Christine nun schon auf einen Verhandlungstermin. Er wird den Fall verlieren, aber erst in zwei bis drei Jahren. Solange können wir dieses Land nicht nutzen, er aber schon.

Eigentlich beginnt die Kakaoernte ungefähr im Februar. Wir konnten aber erst Anfang Mai beginnen, da wir wegen des Rechtsstreits nicht früher durften. Leider ist deshalb rund 70 % der Ernte am Baum verfault oder von Tieren zerfressen worden. Wir mussten zuerst die Plantage etwas ausschneiden da sie schon seit etwa zwei Jahren von Victor nicht mehr genutzt wurde. Unseren Kakao kann man alle zwei bis drei Wochen in den Monaten Februar bis Ende Juni ernten. Wir haben „Cacao Nacional“. Das ist unter anderem die Sorte die nach Europa exportiert wird. Joëlle hat mit Kallari (Kooperative die von Kleinbauern Kakao kauft) Kontakt aufgenommen ob und in welcher Form sie Bohnen kaufen. Man kann sie ihnen im Schleim (feucht) oder getrocknet verkaufen. Der getrocknete Kakao wird billiger eingekauft. Da kann man nämlich viele schlechte Bohnen einschmuggeln und somit wird die Qualität schlechter. Für den im Schleim wird mehr bezahlt weil man keine schlechten Bohnen drunter mischen kann, so ist er von höherer Qualität und kann exportiert werden.

Wir haben uns entschieden den Kakao feucht zu verkaufen weil die Arbeit des Trocknens wegfällt, dies ist sehr aufwändig hier im Regenwald. Wir ernten die Kakaoschoten, öffnen sie und geben die guten Bohnen in einen Sack den wir dann am nächsten Tag verkaufen können. Wir haben bis jetzt zweimal ernten können. Der Gewinn hat gerademal gereicht die Arbeiten in der Plantage zu decken. Wenn wir aber nach beendeter Ernte die Kakaobäume richtig zurückschneiden und nächstes Jahr von Anfang an Ernten können, werden wir sicher einen kleinen Gewinn erzielen.

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