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2. Erfahrungsbericht von Louis Müller

Mein Praktikum bei der Finca Don Sigifredo (FS) verging wie im Flug. Doch wenn die Zeit schnell vergeht, ist das ein gutes Zeichen. Mein Aufenthalt war von so vielen verschiedenen Ereignissen geprägt – kein Tag war wie der Vorherige. Im zweiten Teil meines Praktikums habe ich beispielsweise bei der Konstruktion, respektive der Umstrukturierung der alten Garage zur neuen Werkstatt mitgeholfen. Dabei lernte ich unter anderem, wie man eine grössere Fläche planiert und möglichst flach zementiert.

Zudem beteiligte ich mich an der Planung und dem Aushub des Abwasserkanales der Werkstatt. Bei diesem Projekt waren wir insgesamt zu acht, sechs Kichwas und zwei Schweizer. Solche grösseren Projekte gaben mir die Möglichkeit meine handwerklichen Fähigkeiten, aber auch mein Spanisch zu verbessern. Die Kommunikation in einer Fremdsprache auf einer Baustelle ist gar nicht so einfach, da es viele neue Fachwörter gab und die Lautstärke der Umgebung natürlich eher laut war. Die neue Werkstatt finde ich ein gelungenes Projekt, auch wenn der flache Boden gar nicht so flach herauskam und ein- oder zweimal nachgebessert werden musste.

In der zweiten Hälfte meines Praktikums haben sich meine Freizeitaktivitäten verändert. Ich musste nicht mehr für die Spanisch-Sprachprüfung lernen und hatte allgemein immer mehr Energie, da ich mich Tag für Tag mehr an die klimatischen Bedingungen und die teilweise anstrengende Arbeit gewöhnen konnte. Ich mochte es sehr, mit den Hunden an den Fluss zu gehen, die Totenkopfäffchen zu beobachten oder einen Nachtspaziergang beim Tilapiateich zu machen, um dabei Amphibien zu suchen. Allgemein war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, die vielfältige Tierwelt dieses Gebietes zu sichten und zu fotografieren. Zu den Highlights gehört definitiv die Serpiente látigo colilarga (Peitschenschlange), welche uns eines Tages wenige Meter vom Haus entfernt besuchte. Das Ziel ihrer Reise waren wohl die kleinen Küken, welche sich tagsüber frei auf dem Gelände bewegen.

Ein anderer Moment, welchen ich so schnell nicht vergessen werde, war die Sichtung eines Rehs, welches César und mir im Rio Rodriguez über den Weg lief.

Natürlich gehören auch der Kaulquappen tragenden Baumsteiger, der Brasilzwergkauz, eine flache, blattähnliche Kröte der Gattung Rhinella und viele andere Tiere zu den Highlights meiner Zeit bei der FS.

Als die Weihnachtszeit näherkam, hatte ich die perfekte Idee für ein Geschenk: einen Patenbaum für meine Freundin, meinen Neffen und meine Nichte. Zusammen mit Michi habe ich anschliessend die passenden Baumarten und Pflanzkoordinaten herausgesucht. Bei der Umsetzung resp. dem Transport der Jungbäume half mir César (muchas gracias!). Der Transport und das Pflanzen waren zwar anstrengend, aber was gibt es Besseres, als die Verbindung von Aufforstung des Regenwaldes und Weihnachtsgeschenken?

Gegen Ende meines Aufenthalts habe ich alle aufgestellten Wildtierkameras zurückgeholt, die Daten extrahiert und aufgelistet. Dabei musste ich leider feststellen, dass sich unser Verdacht bestätigt hat. Eine meiner Kameras wurde von einer uns bekannten Person gestohlen und formatiert. Die Kamera wurde zurückgegeben, doch die fehlenden Daten beeinträchtigen meine Arbeit. Dies ist ärgerlich, da diese Kamera an einem Wildtierpfad installiert wurde, welcher ziemlich sicher viele gute Aufnahmen gebracht hätte. Zudem waren es wichtige Daten für meine Analyse, welche mir jetzt fehlen. Nichtsdestotrotz habe ich mit den anderen Kameras viele Daten sammeln können, welche einige Highlights enthalten. Dazu gehören beispielsweise die zweifache Sichtung eines Ameisenbäres, welcher ein Jungtier auf dem Rücken trägt, oder die Aufnahmen eines Ozelots und anderen Wildtieren. Die schönste und gleichzeitig überraschendste Aufnahme ist jedoch ein Jaguar, welcher Mitte Dezember nur 500 m von der Finca entfernt auf einem Pfad entlanglief, welcher von uns selbst auch sehr häufig genutzt wird.

Die Daten habe ich noch nicht fertig analysiert, doch die ersten Resultate zeigen, dass die Kuhhaltung, wie sie bei der FS stattfindet, keinen starken Einfluss auf die Wildtiere und die Aufforstung hat. Dieses Zwischenresultat erfreut mich, da es zeigt, dass eine Kuhhaltung in einem Sekundärwald respektive einem Aufforstungsgebiet durchaus möglich ist. Natürlich darf dabei nicht vergessen gehen, dass es sich um 9 bis 13 Kühe handelt, und das Resultat bei einer grösseren Anzahl möglicherweise ein anderes wäre. Die Zeit auf der FS war intensiv, aber unvergesslich schön. Ich bin Michael und Joëlle extrem dankbar, dass sie mich so herzlich aufgenommen und mich in ihr Projekt integriert haben. Ich habe grossen Respekt davor, wie sie sich für den Schutz des Regenwaldes einsetzen und sich dabei auch weniger schönen Angelegenheiten widmen. An dieser Stelle wünsche ich euch alles Gute und vor allem viel Energie und Durchhaltewille! Ich freue mich jetzt schon, irgendwann wieder einmal zurückzukehren 😊

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Erfahrungsbericht von Louis Müller

Nach vier Jahren war es endlich wieder so weit: Südamerika und Regenwald! Im Rahmen meines Studiums an der ZHAW habe ich die Möglichkeit, für mindestens 12 Wochen ein Praktikum im Ausland zu absolvieren. Nach langer Suche wurde ich auf das Projekt einer Modellfarm im ecuadorianischen Regenwald aufmerksam gemacht: die Finca Don Sigifredo (FS). Da ich auf früheren Reisen bereits im Amazonasgebiet unterwegs war und diese Region zu lieben gelernt habe, war es für mich schnell klar. Da will ich hin.

Da ich früher bereits einige Wochen im Regenwald gearbeitet habe, hätte man meinen können, dass ich mir den hiesigen klimatischen Bedingungen bewusst wäre. Nach einem von der Sonne verbrannten Nacken und den ersten Arbeitstagen, an welchen ich vor Erschöpfung teilweise bereits vor dem Nachtessen eingeschlafen bin, wurde mir schnell bewusst, dass ich wohl doch ein bisschen Angewöhnungszeit brauchen würde und nicht jede Minute 110 Prozent geben könnte. Das war aber überhaupt kein Problem und es war seitens der Besitzer der FS Joëlle und Michael viel Verständnis vorhanden. Generell wurde ich sehr herzlich auf der Finca aufgenommen und bei allem unterstützt. Obwohl die beiden genug Arbeit haben, nehmen sie sich immer Zeit für mich, egal, ob ich schon die 20. Frage am Tag stelle oder sonst ein Anliegen habe. Auch bei den verschiedenen Arbeiten, bei welchen ich als Volontär mithelfe, wird mir immer genau erklärt, was zu tun ist. Aufgrund ihres grossen Fachwissens in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise der Verarbeitung von Bambus oder dem Verhalten von (Wild)tieren, kann ich viel von ihnen lernen.

Bereits in der ersten Arbeitswoche lernte ich mehrere Personen kennen. Dazu gehören der langjährige Angestellte César und seine Frau Hilda, seine Söhne Widinson und John, sowie weitere Verwandte und Bekannte. César und seine Familie leben in der Nähe der FS, auf der Isla Anaconda zwischen dem Rio Arajuno und dem Rio Napo. Sie gehören zu der einheimischen Kichwa-Gemeinschaft, welche eine eigene Sprache und eine eigene Kultur haben. Ich durfte sie bereits zweimal bei ihnen zuhause besuchen und hatte somit die Möglichkeit, ihre Kultur und Gastfreundlichkeit näher kennenzulernen. Zusammen mit César habe ich auch während dem Arbeiten viele interessante Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen, Heimatländer, Wildtiere, Fussballmannschaften, Biersorten usw.

Nebst den vielen neuen Persönlichkeiten lernte ich auch die Hunde Floh, Hector, Yuma und Sinchi kennen. Anfangs hatte ich noch ein bisschen Angst vor den Tieren, da sie beim Betreten des Grundstücks bellend auf einen zu rennen. Mir wurde aber schnell bewusst, dass sie nur ihren Job als Wachhunde ausüben und ansonsten sehr liebevoll sind und jede Streicheleinheit noch so gerne annehmen.

Die letzten 6 Wochen waren sehr lehrreich. So wurde ich z.B. mit den verschiedenen Prozessschritten der nachhaltigen Ressource und Baumaterial Bambus vertraut gemacht. Ich habe gelernt, wie Bambusstangen immunisiert resp. von den unzählbaren Insekten geschützt und gelagert werden, wie eine einheitlichen Faserfarbe erreicht wird, wie der Bambus in der Plantage gepflegt wird und last but not least: Wie damit etwas gebaut werden kann, beispielsweise eine Garage.
Während den morgendlichen Spazierwanderungen zu den Kühen (manchmal 20 Minuten, manchmal 1 bis 2 Stunden) und einigen längeren Urwaldrundgängen konnte ich bereits viel über die vorhandene Flora und Fauna und deren Dynamik lernen. Das Schöne, wenn man vor Ort ist: Man kann nicht nur Theoretisches lernen, sondern auch Praktisches sehen. Sichtungen von Wildtieren wie z.B. den Baumsteigerfrosch Rana venenosa ecuatoriana oder zahlreiche Spinnen sind für mich immer wieder ein Highlight.


Zu sehen gibt es leider auch Negatives. Zusammen mit Michi kontrollierten wir die Entwicklung einer illegalen Goldmiene, welche sich nur wenige Autominuten von der FS entfernt befindet. Voller Ernüchterung mussten wir feststellen, dass sie in wenigen Wochen stark gewachsen ist und die Betreiber bereits daran sind, weitere Bäume zu fällen und das Abbaugebiet zu erweitern. Des Weiteren fahren zurzeit täglich mehrere Sattelschlepper vorbei und beliefern eine Erdölförderungsfirma, welche sich wenige Stunden von der FS befindet. Nichtsdestotrotz geniesse ich meine Zeit hier und ich freue mich, auf die nächsten Projekte und Erfahrungen, welche wir in Angriff nehmen werden.

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Wenn es am schönsten ist,…

von Bernd Villwock

Es gab anfangs Tage, da haben mich die Insektenstiche beinahe verrückt gemacht. Und irgendwann zur Halbzeit, nach mehrtägigen Magen-Darm-Problemen, habe ich mich auch mal gefragt warum ich mir diesen Wahnsinn antue… Inzwischen weiß ich was zu tun ist, kann mich auf die Arbeit und das Umfeld konzentrieren und bin nach insgesamt drei Monaten auf der Finca richtig gut angekommen. Time to say goodbye!

Es war ein unglaublicher Glücksfall, dass genau in diesen drei Monaten das Bambus-Häuschen auf der Insel gebaut wurde! Ich habe alles miterlebt, von den Fundamenten über das Richtfest bis zu den letzten Schönheitsarbeiten. Hautnah konnte ich spüren, wie die Begeisterung der beteiligten jungen Leute und das Interesse der Nachbarn mit jedem Tag wuchs und beobachten, dass das Konzept «learning by doing» tatsächlich aufgeht: eine Reihe der jungen Männer hat jetzt eine sehr konkrete Vorstellung und praktische Kompetenzen, was den Bambusbau betrifft.

Mein Herz aber habe ich an die Pflanzen, Tiere und Menschen hier verloren.

Beim Mittagessen mit den Mitarbeitenden

Es war eine tolle Erfahrung, die 40 kleinen Ahuanos (Mahagoni) einzutopfen und sie in den ersten Monaten wachsen zu sehen. Auch der ersten Insektenplage haben sie bereits erfolgreich widerstanden. Erst gestern durfte ich dann auch das Gebiet besuchen, in der Michael und Joëlle die Wiederaufforstung begonnen haben: in einer aufgelassenen illegalen Balsa-Plantage wachsen jetzt zahlreiche heimische Frucht- und große Urwaldbäume – darunter auch einer der Bobos, für den meine Familie die Patenschaft übernommen hat.

Moral Bobo für den meine Familie die Patenschaft übernommen hat

Immer wieder gern bin ich zu den Kühen gegangen, habe sie gezählt, nach Verletzungen geschaut und einfach ein wenig Zeit mit ihnen verbracht. Dabei sind einige von ihnen mir wirklich ans Herz gewachsen. Der majestätische Zuchtbulle Flocho zum Beispiel, der ganz entspannt über seine Gruppe wacht und sich erstaunlich gerne kraulen lässt. Die kleine Urpi, die ich in den ersten Wochen einmal mit César notfallbehandelt habe und die jetzt kraftvoll durch die steilen Weiden steigt. Die noch kleinere Victoria, um die wir uns in den ersten Tagen viele Sorgen gemacht haben. Zwischen Neugier und Angst schwankend wird sie bald wie ihre älteren Freundinnen mit Hector spielen. Und schließlich auch mehrere der erwachsenen Kühe, die gemeinsam einen kleinen Kinderhort betreiben und ihre Schützlinge, teils eigene teils adoptierte, gemeinsam beaufsichtigen.

Kuhherde

Auch die lokale Kichwa-Gemeinschaft habe ich durch die vielen gemeinsamen Arbeitsstunden kennen und schätzen gelernt. Besonders natürlich den Vorarbeiter César, mit dem ich auch öfter mal alleine unterwegs war und viel Austausch hatte. Mit ihm und seiner Frau Hilda zusammen konnte ich die Woche gut meistern in der Joëlle und Michael Urlaub gemacht haben. So gar nicht meinen Kichwa-Klischees folgend, lernte ich sie auch als liebevoll füreinander sorgendes Paar kennen. Und das nach mehr als 20 gemeinsamen Jahren!

Hilda und César in der Mittagspause

Last but not least: Joëlle und Michi! Ich habe größten Respekt vor ihrem Einsatz, ihrem Mut und ihrer Bereitschaft mit großer Ausdauer durch alle Probleme durchzugehen und weiter zumachen. Unter den gegebenen Bedingungen eine Farm zu betreiben und mit lokalen Mitarbeitern eine Vision von einer Ökomodellfarm umzusetzen ist phasenweise absoluter Dauerstress! Dass sie sich trotzdem immer wieder Zeit genommen haben, mir Dinge zu zeigen und zu erklären, lässt mich in großer Dankbarkeit gehen. Ich bin sicher dass ich die beiden noch ab und zu besuchen werde.

Bis dahin wünsche ich ihnen Glück, eine gute Hand und ganz viel Kraft!

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Visum Teil 2

Der Generalstreik wurde zum Glück nach 18 Tagen aufgehoben. Der Präsident bzw. seine Vertreter haben sich mit den Parteien an einen Tisch gesetzt. Bei einem Punkt wurde sofort eingelenkt, die Spritpreise wurden sogleich um 15 Cent gesenkt. Neu kostet nun eine Gallone Benzin $ 2.40. Um die anderen neun Punkte zu erfüllen hat die Regierung 90 Tage Zeit bekommen. Falls sie nicht innert dieser Frist erfüllt sein werden geht das ganze wieder von vorne los. Mal schauen wie es weiter geht. Bei uns hat sich nach dem Streik fast alles normalisiert und man bekommt auch wieder viele Produkte. Aber es wird schon noch etwas dauern bis wirklich alles wieder erhältlich sein wird.

Hector völlig erschöpft nach einer Klopapier-Party

Der Streik hatte auch Auswirkungen auf Joëlles Visum, die waren aber eher positiv. Da auch in Quito nicht gearbeitet werden konnte verlängerte sich die Eingabefrist beim Amt und so konnte unsere Anwältin alles rechtzeitig einreichen. Michael hatte ja bereits sein Visum erhalten da dafür als Sicherheit unser Land diente welches auf seinen Namen lautet. Joëlles Visum sollte einfach an Michis Visum angehängt werden weil wir ja verheiratet sind. Und dafür brauchte es, wie bereits berichtet, erneut per Express die internationale und apostillierte Heiratsurkunde. Am letzten Montag bekamen wir dann Bescheid, dass wir beide uns am Donnerstag bei der Ausländerbehörde in Quito einfinden müssen um zu prüfen ob wir eine Scheinehe führen. Dafür brauchte Michael aber natürlich schon wieder eine Migrationsbescheinigung der Ausländerpolizei wo drin steht wie oft und wann er ins Land ein- und ausgereist ist. Seine letzte Bescheinigung war nicht mehr gültig denn, wie könnte es auch anders sein, sie war älter als ein Monat. Weshalb dieses Dokument so enorm wichtig ist bleibt für uns ein Rätsel, denn man holt es bei der Ausländerpolizei und bringt es dann der Ausländerbehörde. Also fuhren wir einmal mehr nach Quito hoch. Das dauert ja auch grad mal nur vier bis fünf Stunden (wenn die Strasse in gutem Zustand ist). Für Michael organisierten wir einen Übersetzter der ihm bei der Befragung helfen würde. Die Beamten in Quito haben leider nicht viel Geduld und die Erfahrung zeigte, dass sie Fragen nicht gerne widerholen oder auch nur ansatzweise langsamer sprechen würden. Tatsächlich mussten wir, getrennt voneinander, einen schriftlichen Fragebogen mit 32 Fragen ausfüllen. Da wollten sie dann z.B. wissen was die jeweilige Lieblingsfarbe ist, was der Partner nicht gerne isst, wie die Geschwister heissen, was einem am Partner stört und wann und wo wir uns kennenlernten. Wir mussten sogar beschreiben wie das Haus in dem wir wohnen aussieht, wie viele Zimmer es hat, wie viele Fernseher wir haben und in welchen Zimmern sie sich befinden. Ja wir kamen uns etwas doof vor, vor allem auch deshalb weil die Überschrift des Fragebogens „Ehe von Ecuadorianern mit Ausländern“ hiess. Die Beamtin schaute die Fragenbögen kurz zwei Minuten durch und dann endlich bekam Joëlle ihr Visum. jetzt sind wir beide wieder legal in Ecuador, denn unsere Visa waren am 2. Juni abgelaufen. Nun steht aber schon der nächste Bürokratiewahnsinn an. Die Cédula (Identitätskarte) sollte theoretisch innert 20 Tagen nach Bewilligung des Visums gemacht werden. Tja Michael hat seinen Termin am 23. August beim Zivilstandsregister, um da einen Termin zur Erneuerung der Cédula zu beantragen. Hä? Genau: beim diesem Termin wird nur die Richtigkeit des Visums (welches man ja gerade vom Ausländeramt erhalten hat) und der erneut einzureichenden Dokumente geprüft. Joëlle hat ihren Termin übrigens erst am 16. September. Ja wir werden noch viel Zeit, Geld und Nerven brauchen bis wir alles haben.

Michi schweisst das Tor

Michael hatte noch vor dem Streik mit der Konstruktion eines Tors für die Bambusanlage begonnen. Leider musste das auch warten da wir nicht alle Materialien besorgen konnten. Nun ist es aber fertig und Michael ist mächtig stolz darauf, er hat es von A – Z selber gemacht und es sieht wirklich super aus. Natürlich musste er schon einige Leute um Rat bitten, besonders Thomas sein Bruder der Schlosser ist. Aber es ist ja schliesslich auch Michaels erstes selber konstruiertes Tor.

Diese Woche hatten wir zwei Mal Besuch von Gruppen aus Gemeinden in der Nähe von Tena. INBAR (International Bamboo and Rattan Organisation) hat das mit dem Ziel eines interkulturellen Austauschs organisiert. INBAR ist eine weltweit tätige Organisation die den Anbau und die Verarbeitung von Bambus und Rattan fördert. Der Chef von INBAR Tena war schon einmal privat bei uns zu Besuch und war sehr begeistert von unserm Konzept. Er findet unsere vielen kleinen aber nachhaltigen Projekte super. Sie fragten uns an ob wir unsere Modellfarm, den Schutzwald und natürlich unser Bambusprojekt vorstellen würden. Es kamen zwei Gruppen von je 15 Personen. Jaime, der Waldhüter von Selva Viva hat die Wald Tour gemacht und César hat unsere Finca und unsere Projekte vorgestellt. Da sowohl die Teilnehmer als auch unsere Mitarbeiter alle Kichwa sprechen, konnte der komplette Anlass in Kichwa durchgeführt werden. Für uns war es sehr erstaunlich, dass die Hälfte der Teilnehmer noch nie im Primärwald war und so einen Teil ihrer eigenen Natur kennen lernten. Zum Abschluss der jeweiligen Besuche hat uns Hilda, die Frau von César, ein typisches Mittagessen zubereitet. Es gab Fisch im Bananenblatt mit Yuca und Kochbanane. Die Teilnehmer waren allesamt begeistert und wir werden nächste Woche nochmals zwei Gruppen begrüssen dürfen. Viel verdienen wir dabei leider nicht, aber wir haben jetzt zumindest „einen Fuss in der Türe“ bei INBAR und wer weiss vielleicht fragen sie uns ja erneut an. Dann werden wir sicher nochmals über den Preis verhandeln. Aber für uns ist es vor allem wichtig anderen Leuten zu zeigen wie es auch anders gehen kann und ihnen neue Ideen mit auf den Weg zu geben.

César erklärt der Gruppe die Bambuskonstruktion unserer Hühnervilla
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Die Brücke

Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir eine Brücke über ein Schlammloch gebaut, so dass die Kühe einfacher die Weide wechseln konnten. Als letzte Woche unser Mittarbeiter Frank die Kühe kontrollieren ging hatte er festgestellt, dass es Löcher in den Bretten gab. Deshalb war klar, dass diese Bretter so rasch als möglich ersetzt werden mussten. In der Nähe lagen noch ein paar übriggebliebene Stücke von einem umgefallenen Mahagonibaum und so liessen wir diese richtig zuschneiden um die Brücke reparieren zu können. Das war ja recht und gut aber die Kühe wollten genau wissen was Frank da repariert und sind gleich zu fünft auf die Brücke gegangen um zu schauen, dass er es auch richtig macht. Wenn der Chef nicht kontrolliert machen es halt die Begünstigten. Das war aber zu viel Gewicht für den mittleren Balken und so ist dieser unter der immensen Last eingebrochen. Nur gut, dass nichts passiert ist. Frank hat alles beobachtet und uns gesagt die Kühe seien einfach von der Brücke runter spaziert und weg gegangen. Jetzt war das Ganze etwas schwieriger zu reparieren. Zuerst musste ein neuer Mittelbalken her und das musste hartes Holz sein. Dafür mussten wir einen kleinen Baum fällen der das Gewicht aushält und auch einige Zeit bestand haben wird. Den Stamm zu tragen war nicht einfach. Zu sechst haben wir ihn über unwegsames Gelände hingetragen und dann in die Brücke eingesetzt. Jetzt steht die Brücke wieder wie eine Eins. Wir haben auch den Kühen mitgeteilt, dass maximal drei Tiere darauf dürfen Mal schauen wie lange sie sich daran halten werden.

Auf Grund der immer noch anhaltenden Arbeitslosigkeit werden wir immer wieder um Arbeit gebeten. Leider haben wir aber nur begrenzt Arbeit und unser Budget ist nicht mehr so gross wie es auch schon war. Viele Leute versuchen nun Arbeit im ganzen Land zu finden. Der Bruch der Ölpipeline oberhalb des Rio Cocas ist eine Katastrophe mit einem Ausmass das man sich kaum vorstellen kann. Einige Leute aus der Region, besonders erfahrene Kanufahrer, haben da vorübergehend Arbeit gefunden.

Ein Gewitter zieht auf

Um die Familien zu unterstützen starteten wir ein neues kleines Projekt. Wir lassen bei den Familien verschiedene Sachen herstellen die wir dann in die Schweiz bringen lassen und dort probieren zu verkaufen. Die (erweiterte) Familie von César hat uns über hundert Fonduegabeln aus Bambus geschnitzt. Wir haben pro Rohling 1 $ bezahlt und sie bei uns noch etwas nach geschliffen und poliert.

Milena beim Fonduegabeln schleifen

Eine andere Familie hat uns 100 Armbänder geknüpft. Auch da haben wir einen fairen Preis bezahlt, 2.50 $, was normalerweise der Verkaufspreis für Touristen ist (die ja leider fehlen).

Wir bekommen aber nicht nur Verkaufsangebote von Kichwas auch die Waoranis (eine andere indigene Ethnie die noch tiefer im Wald lebt) kommen vorbei und brauchen Geld. Da haben wir dann eine Hängematte bestellt. Als sie zwei Monate später wieder kamen, was wir nicht geglaubt hätten, brachten sie gleich zwei Hängematten mit. Natürlich haben wir sie beide gekauft. Die Eine hat Michael selber behalten und die Andere wurde in die Schweiz gebracht. So eine Hängematte wird ausschliesslich aus Palmfasern gemacht. Es braucht rund 500 Meter Seil das aus einem einzigen Stück besteht, was natürlich selber von Hand hergestellt wird. Alleine für das verweben des Seils brauchen sie zwei Wochen. Der Handel mit den Waoranis ist immer etwas Spezielles. Sie laufen oft tagelang durch den Wald um zu uns zu kommen. Die Frauen verkaufen ihre Handarbeit um Geld für Salz, Öl, Seife, Reis und andere benötigte Dinge zu bekommen. Die Männer verkaufen manchmal Wildfleisch von Tieren die sie auf dem Weg erlegt haben. Jedes Mal wenn sie da sind kaufen wir etwas von den Frauen und geben ihnen auch noch was zu Essen mit auf den Weg. Uns ist wichtig nicht nur eine Frau oder Familie zu berücksichtigen. Deshalb kaufen wir immer jeder Person etwas ab, so dass alle etwas verdienen können. So konnten wir einen vollen Koffer mit diversen Sachen gratis in die Schweiz schicken (vielen Dank Christine!).

Waoranifrauen die uns die Hängematten verkauft haben

Wir haben auch viel Schokolade von Kallari mit geschickt. Kallari kauft unseren Kakao.

Michaels Bruder Stefan verkauft im Gasthaus Bad, Hemberg (077 444 81 65) diese Produkte. Dort bekommt man auch mehr Infos zu den Produkten und ihren Produzenten. Der Verkaufserlös wird direkt wieder in unser Projekt gesteckt. Wenn es Anklang findet werden wir versuchen das Angebot auszubauen um so ein weiteres kleines Einkommen für die umliegende Bevölkerung zu schaffen. Wir würden uns sehr freuen wenn wir zumindest die Kosten decken könnten. Falls jemand einen speziellen Wunsch hat, z.B. nur die Naturfäden aus Palmfasern (Armbänder sowie Hängematte sind daraus gefertigt) oder eine extragrosse Hängematte und es nicht eilt, der kann sich direkt bei uns melden:

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    Erfahrungsbericht aus dem Regenwald von Luca

    Nach fast zwei Monaten hier auf der Finca Don Sigifredo im Regenwald von Ecuador geht mein Abenteuer langsam zu enden und es ist an der Zeit mein Erlebtes noch einmal Revue passieren zu lassen. Es war eine schöne Zeit mit vielen neuen Eindrücken und tollen Erfahrungen. Alles begann damit das Joëlle mich in Quito am Flughafen abholte und wir gemeinsam die Fahrt von Quito zu ihnen nach Hause in den Regenwald starteten. Nachdem wir mehrere Stunden gefahren sind mussten wir eine ungeplante Pause von zwei Stunden einlegen da die Straße auf Grund eines Erdrutsches nicht mehr befahrbar war. Nach langem Warten konnte ein großer Bagger die Straße von Schlamm und großen Steinen endlich befreien. Nach insgesamt acht Stunden haben wir dann bei Nacht endlich die Finca Don Sigifredo erreicht und ich wurde gleich von Michi und den drei Hunden herzlich empfangen. Nachdem ich von Michi und Joëlle alles gezeigt bekommen habe und die ersten Eindrücke verarbeiten konnte ging es auch schon los mit der Arbeit. So bin ich als erstes mit Michi zu den Kühen gewandert und er erklärte mir viele interessante Dinge die man in Bezug auf die Haltung und den Umgang mit Kühen beachten muss. So fingen wir dann an die ganze Herde von einer Weide zurück Richtung Haus zu treiben wo Sie einen betonierten und eingezäunten Platz haben um die Kühe auf mögliche Verletzungen und Parasiten zu untersuchen. Nach getaner Arbeit nahm mich Michi mit und zeigte mir die schönste Ecke ihres Landes. Dort wollen sie in hoffentlich naher Zukunft ihr eigenes Haus und angrenzende Volontärs Unterkünfte komplett aus Bambus bauen. Michi zeigte mir ebenfalls wo Sie vorhaben ein Haus mit Becken für die Behandlung und Verarbeitung von Bambus zu Bauen. Er erklärte mir, dass die vielseitige Nutzung des Bambus in dieser Region früher sehr verbreitet war aber seit die Leute die Kettensäge entdeckt haben kaum noch Bambus als Baumaterial eingesetzt wird und man lieber große dicke Bäume fällt um Häuser zu bauen. Das Ziel von Michi und Joëlle ist die nachhaltige Bewirtschaftung und Aufforstung des Regenwaldes. Dafür tun Sie auch sehr viel, in einem aus Bambus gebauten Gewächshaus ziehen sie viele verschieden Baumarten wie z.B Mindal, Cedro, Chuncho, Moral Bobo u. v. m. die mit viel Arbeit zu kleinen Setzlingen heranwachsen. Aktuell warten mehr als 500 Bäumchen darauf bald ausgepflanzt zu werden und das bringt uns der Wiederaufforstung des Regenwaldes einen Schritt näher.

    Gewächshäus aus Bambus

    Das nächste große Projekt an dem ich mitwirken durfte war eine Stützmauer aus alten Auto- und LKW-Reifen zu bauen. Es drohte ein großer Hang direkt an der Zufahrtsstraße zum Haus ab zu rutschen was dringend verhindert werden musste da die Straße ebenfalls drohte mit ab zu rutschen und es dann nicht mehr möglich wäre das Haus zu erreichen. So lernte ich dann auch César kennen der bei Michi und Joëlle angestellt ist. Er wirkte direkt sehr sympathisch und wir konnten uns auch recht gut auf Englisch verständigen was hier bei den einheimischen Kichwas, zu denen César gehört, nicht selbstverständlich ist da der Großteil kein Englisch spricht. César ist nicht nur für die Durchführung von den Arbeiten die bei Finca Don Sigifredo anfallen zuständig sondern er sorgt auch dafür, dass für große Projekt wie die Stützmauer auch passende Aushilfsarbeiter da sind. Und so organisierte er vier Arbeiter die ebenfalls alle von der Indigenen Gemeinde der Kichwas stammen. So bekommen Joëlle und Michi nicht nur große Projekte schneller fertig sondern unterstützen zu gleich die verschiedenen Familien der Kichwas mit Arbeit und fördern den sozialen Austausch mit den Einheimischen. Die Stützmauer zu bauen war sehr anstrengend und nach einer Woche Arbeit mit stundenlangem Kies schaufeln, Pfosten in den Boden schlagen und Reifen verdichten waren mehr als 400 Reifen in den Hang eingebaut und ich war erstaunt wie stabil so eine Mauer aus Reifen sein kann.

    Arbeiten an der Stützmauer aus alten Reifen

    Das schönste nach getaner Arbeit ist es abends ein kühles Bier zu trinken und interessante Gespräche mit Michi und Joëlle zu führen oder einfach mit Kopfhören in der Hängematte zu liegen und den Sonnenuntergang zu genießen. So kann sich mein Körper perfekt von der kräftezehrenden Arbeit erholen und wieder Energie aufladen für den nächsten Tag. Ein weiteres großes Projekt war es die Kakao Plantage, die lange nicht mehr bewirtschaftet wurde, von den ganzen Pflanzen zu befreien die in der Zwischenzeit die ganze Plantage überwachsen haben. Bei dieser Arbeit ist es von Vorteil wenn man langärmlige Kleidung trägt sowie Handschuhe und Kappe. Überall sind haarige Raupen oder Ameisen die man nicht gerne auf seinem Körper haben will. Es war viel Arbeit die ganze Plantage wieder frei zu schneiden aber die Arbeit hat sich gelohnt nun können Michi und Joëlle anfangen die Kakao Plantage zu bewirtschaften und so ein Nebeneinkommen aufbauen.

    Finca Don Sigifredo
    Bild: Luca Reinwald

    Es gibt aber nicht nur Arbeit bei Finca Don Sigifredo sondern es gibt auch viele tolle Sachen in der Region in der wir uns befinden zu entdecken. So waren wir einmal im amaZOOnico. Die Auffang- und Auswilderungsstation für viele verschiedene Tiere die im Dschungel Leben liegt nur fünf Minuten mit dem Kanu Fluss abwärts. Es gibt aber auch eine kleine Schokoladen Produktion die man besuchen kann und wo man eigene Schokolade herstellt. Oder einen botanischer Garten in dem man viele verschieden Pflanzen und Kräuter sehen kann die in der Kichwa Kultur heute noch als Medizin oder für schamanische Rituale eingesetzt werden. Dort bekommt man auch eine Vielzahl unterschiedlicher Fallen für die Jagd zu sehen und einem wird demonstriert wie sie funktionieren. Aber das schönste finde ich, war der Besuch bei César daheim der uns zum Fußball und Volleyball spielen eingeladen hat. Dort konnte man noch einmal aus einem anderen Blickwinkel sehen wie die Kichwas heute leben. Es war ein tolle Erfahrung mit der ganzen Familie ob Jung oder Alt zu Spielen und Spaß zu haben. Alles im allem bin sehr glücklich das Abenteuer gewagt zu haben und zwei Monate hier mit Michi und Joëlle gelebt und gearbeitet zu haben. Es hat mir viele neue Erkenntnisse und viele schöne Momente beschert die ich ganz sicher nicht mehr so schnell vergessen werde. Das Projekt Finca Don Sigifredo kann ich jedem empfehlen der sich für den Schutz des Regenwaldes einsetzen möchte und gerne neue Kulturen kennenlernen will.