Gastbeitrag von Bernd Villwock
In der ersten April-Hälfte war ich zum 4. Mal am Rio Barrantilla, wenn auch nur für 10 Tage – und mehr zu Besuch als zum Arbeiten. Herzlich wie immer nahmen mich Joëlle und Michi in Empfang. Und beim Anblick der kleinen Nebelschwaden über den benachbarten Hügeln ergriff mich augenblicklich eine tiefe Ruhe…

Die Tage waren wesentlich von den beiden erst 14 Wochen alten Hunden geprägt, die seit kurzem das Leben der Farm bereicherten (und manchmal auch ein wenig durcheinanderwirbelten). Wenn sie nicht gerade schliefen, tollten Hera und Odin lustig herum, balgten sich und erkundeten die Umgebung. Wie auf kleine Kinder musste man beständig ein Auge auf sie haben.

Joëlle war zusätzlich wegen ihrer Lektorinnen-Tätigkeit im Stress. Um die Farm finanziell über Wasser zu halten, hatte sie diese Tätigkeit bei einem Schweizer Unternehmen angenommen. Und vor dem geplanten Kurzurlaub waren noch mehrere Aufträge zu erledigen…
Wieder schlug ich mein Lager im Schulhäuschen auf. Dort hatte ich meine erste Volontärsstelle als Hilfslehrer vor 6 Jahren. Auch 3 Jahre nach der Pandemie ruht das Schul-Projekt noch – machtlos angesichts der verheerenden Auswirkungen auf die Lernstände einer ganzen Schüler-Generation…
Die Hoffnungen ruhen nun auf eine Reihe von Initiativen, die sich aus dem Bambus-Projekt ergeben, das Michi und Joëlle vor mehr als 3 Jahren in Gang gebracht haben. Auch in diesen Wochen waren wieder einer Reihe von Arbeitern mit dem Schneiden und der Weiterverarbeitung von Bambus beschäftigt – neben alten Hasen auch wieder 2 junge Anfänger. Auf diese Weise bietet das Projekt nicht nur Einkommensmöglichkeiten, sondern vermittelt auch zahlreiche Kompetenzen, die den jungen Männern berufliche Chancen eröffnen. Beim Bau des ersten Hauses auf der Insel vor 2 Jahren hatte ich mich selbst davon überzeugen können, und inzwischen hatte Michi auch Möbel und dekorative Gegenstände «im Programm».
Besonders schön war es für mich, beim Mittagessen mit Vorarbeiter César und weiteren bekannten Gesichtern ein paar Erinnerungen auszutauschen…
Mein eigener Beitrag zum Bambusprojekt bestand dieses Mal lediglich darin, ab und zu für 1-2 Stunden in dem kleinen, zur Farm gehörenden Guadua-Wäldchen die langen, stachelbewehrten Triebe abzuschneiden und an geeigneter Stelle zu stapeln. Nur wenn man diese Arbeit planvoll, umsichtig und voll konzentriert durchführt, vermeidet man schmerzhafte Stiche und zerrissene Kleidung – deshalb schätze ich diese Tätigkeit als eine Art Lebensschule.
Ansonsten versuchte ich, ein wenig Entlastung zu bringen, indem ich auf die kleinen Hunde aufpasste und jeden Tag einmal mit dem inzwischen erwachsenen Hund Hektor längere Zeit spazieren ging. Sehr genoss ich dabei die tollen, von César und Michi angelegten Wege rund um die Farm – und auch den schönen Ausblick von dem neu errichteten Beobachtungsturm.

Fast jeden Tag lockte es mich auch auf den Rundweg zu den oberen, ehemaligen Weiden. Einerseits vermisste ich die Kühe, die mir bei den letzten Aufenthalten ans Herz gewachsen waren. Andererseits freute ich mich zu sehen, wie auf den aufgelassenen Weiden die Natur zurückkam. Und anstelle der Kuhtritte entdeckte ich nun Fussspuren von Tapiren. Michi erzählte mir, dass auf den Fotofallen auf den Waldwegen nun häufiger auch Pumas zu sehen seien, und auch nächtliche Fotos eines Jaguars seien keine Seltenheit mehr – fantastisch!

Weit weniger schön zu hören war, dass sich die illegalen Goldwäscher-Aktivitäten zu einer dauerhaften Bedrohung der Flüsse entwickelt haben, die auch vor der Gesundheit der Insel-Gemeinschaft nicht Halt macht. Da sich Quecksilber und andere toxische Stoffe durch Abkochen nicht entschärfen lassen, hat Joëlle vor, zu diesem Thema Aufklärungsarbeit zu leisten. Um die erwünschte Wirkung zu erreichen, setzt sie auf die Zusammenarbeit mit einer anderen betroffenen Kichwa-Gemeinschaft…
Was aus dieser weiteren guten Idee geworden ist, werde ich bei meinem nächsten Besuch erfahren. Denn das scheint mir sicher: dem Zauber vom Puerto Barrantilla und der Neugier auf das Lebensprojekt von Joëlle und Michi werde ich mich auch in Zukunft nicht entziehen können!