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2. Erfahrungsbericht von Louis Müller

Mein Praktikum bei der Finca Don Sigifredo (FS) verging wie im Flug. Doch wenn die Zeit schnell vergeht, ist das ein gutes Zeichen. Mein Aufenthalt war von so vielen verschiedenen Ereignissen geprägt – kein Tag war wie der Vorherige. Im zweiten Teil meines Praktikums habe ich beispielsweise bei der Konstruktion, respektive der Umstrukturierung der alten Garage zur neuen Werkstatt mitgeholfen. Dabei lernte ich unter anderem, wie man eine grössere Fläche planiert und möglichst flach zementiert.

Zudem beteiligte ich mich an der Planung und dem Aushub des Abwasserkanales der Werkstatt. Bei diesem Projekt waren wir insgesamt zu acht, sechs Kichwas und zwei Schweizer. Solche grösseren Projekte gaben mir die Möglichkeit meine handwerklichen Fähigkeiten, aber auch mein Spanisch zu verbessern. Die Kommunikation in einer Fremdsprache auf einer Baustelle ist gar nicht so einfach, da es viele neue Fachwörter gab und die Lautstärke der Umgebung natürlich eher laut war. Die neue Werkstatt finde ich ein gelungenes Projekt, auch wenn der flache Boden gar nicht so flach herauskam und ein- oder zweimal nachgebessert werden musste.

In der zweiten Hälfte meines Praktikums haben sich meine Freizeitaktivitäten verändert. Ich musste nicht mehr für die Spanisch-Sprachprüfung lernen und hatte allgemein immer mehr Energie, da ich mich Tag für Tag mehr an die klimatischen Bedingungen und die teilweise anstrengende Arbeit gewöhnen konnte. Ich mochte es sehr, mit den Hunden an den Fluss zu gehen, die Totenkopfäffchen zu beobachten oder einen Nachtspaziergang beim Tilapiateich zu machen, um dabei Amphibien zu suchen. Allgemein war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, die vielfältige Tierwelt dieses Gebietes zu sichten und zu fotografieren. Zu den Highlights gehört definitiv die Serpiente látigo colilarga (Peitschenschlange), welche uns eines Tages wenige Meter vom Haus entfernt besuchte. Das Ziel ihrer Reise waren wohl die kleinen Küken, welche sich tagsüber frei auf dem Gelände bewegen.

Ein anderer Moment, welchen ich so schnell nicht vergessen werde, war die Sichtung eines Rehs, welches César und mir im Rio Rodriguez über den Weg lief.

Natürlich gehören auch der Kaulquappen tragenden Baumsteiger, der Brasilzwergkauz, eine flache, blattähnliche Kröte der Gattung Rhinella und viele andere Tiere zu den Highlights meiner Zeit bei der FS.

Als die Weihnachtszeit näherkam, hatte ich die perfekte Idee für ein Geschenk: einen Patenbaum für meine Freundin, meinen Neffen und meine Nichte. Zusammen mit Michi habe ich anschliessend die passenden Baumarten und Pflanzkoordinaten herausgesucht. Bei der Umsetzung resp. dem Transport der Jungbäume half mir César (muchas gracias!). Der Transport und das Pflanzen waren zwar anstrengend, aber was gibt es Besseres, als die Verbindung von Aufforstung des Regenwaldes und Weihnachtsgeschenken?

Gegen Ende meines Aufenthalts habe ich alle aufgestellten Wildtierkameras zurückgeholt, die Daten extrahiert und aufgelistet. Dabei musste ich leider feststellen, dass sich unser Verdacht bestätigt hat. Eine meiner Kameras wurde von einer uns bekannten Person gestohlen und formatiert. Die Kamera wurde zurückgegeben, doch die fehlenden Daten beeinträchtigen meine Arbeit. Dies ist ärgerlich, da diese Kamera an einem Wildtierpfad installiert wurde, welcher ziemlich sicher viele gute Aufnahmen gebracht hätte. Zudem waren es wichtige Daten für meine Analyse, welche mir jetzt fehlen. Nichtsdestotrotz habe ich mit den anderen Kameras viele Daten sammeln können, welche einige Highlights enthalten. Dazu gehören beispielsweise die zweifache Sichtung eines Ameisenbäres, welcher ein Jungtier auf dem Rücken trägt, oder die Aufnahmen eines Ozelots und anderen Wildtieren. Die schönste und gleichzeitig überraschendste Aufnahme ist jedoch ein Jaguar, welcher Mitte Dezember nur 500 m von der Finca entfernt auf einem Pfad entlanglief, welcher von uns selbst auch sehr häufig genutzt wird.

Die Daten habe ich noch nicht fertig analysiert, doch die ersten Resultate zeigen, dass die Kuhhaltung, wie sie bei der FS stattfindet, keinen starken Einfluss auf die Wildtiere und die Aufforstung hat. Dieses Zwischenresultat erfreut mich, da es zeigt, dass eine Kuhhaltung in einem Sekundärwald respektive einem Aufforstungsgebiet durchaus möglich ist. Natürlich darf dabei nicht vergessen gehen, dass es sich um 9 bis 13 Kühe handelt, und das Resultat bei einer grösseren Anzahl möglicherweise ein anderes wäre. Die Zeit auf der FS war intensiv, aber unvergesslich schön. Ich bin Michael und Joëlle extrem dankbar, dass sie mich so herzlich aufgenommen und mich in ihr Projekt integriert haben. Ich habe grossen Respekt davor, wie sie sich für den Schutz des Regenwaldes einsetzen und sich dabei auch weniger schönen Angelegenheiten widmen. An dieser Stelle wünsche ich euch alles Gute und vor allem viel Energie und Durchhaltewille! Ich freue mich jetzt schon, irgendwann wieder einmal zurückzukehren 😊

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Erfahrungsbericht von Louis Müller

Nach vier Jahren war es endlich wieder so weit: Südamerika und Regenwald! Im Rahmen meines Studiums an der ZHAW habe ich die Möglichkeit, für mindestens 12 Wochen ein Praktikum im Ausland zu absolvieren. Nach langer Suche wurde ich auf das Projekt einer Modellfarm im ecuadorianischen Regenwald aufmerksam gemacht: die Finca Don Sigifredo (FS). Da ich auf früheren Reisen bereits im Amazonasgebiet unterwegs war und diese Region zu lieben gelernt habe, war es für mich schnell klar. Da will ich hin.

Da ich früher bereits einige Wochen im Regenwald gearbeitet habe, hätte man meinen können, dass ich mir den hiesigen klimatischen Bedingungen bewusst wäre. Nach einem von der Sonne verbrannten Nacken und den ersten Arbeitstagen, an welchen ich vor Erschöpfung teilweise bereits vor dem Nachtessen eingeschlafen bin, wurde mir schnell bewusst, dass ich wohl doch ein bisschen Angewöhnungszeit brauchen würde und nicht jede Minute 110 Prozent geben könnte. Das war aber überhaupt kein Problem und es war seitens der Besitzer der FS Joëlle und Michael viel Verständnis vorhanden. Generell wurde ich sehr herzlich auf der Finca aufgenommen und bei allem unterstützt. Obwohl die beiden genug Arbeit haben, nehmen sie sich immer Zeit für mich, egal, ob ich schon die 20. Frage am Tag stelle oder sonst ein Anliegen habe. Auch bei den verschiedenen Arbeiten, bei welchen ich als Volontär mithelfe, wird mir immer genau erklärt, was zu tun ist. Aufgrund ihres grossen Fachwissens in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise der Verarbeitung von Bambus oder dem Verhalten von (Wild)tieren, kann ich viel von ihnen lernen.

Bereits in der ersten Arbeitswoche lernte ich mehrere Personen kennen. Dazu gehören der langjährige Angestellte César und seine Frau Hilda, seine Söhne Widinson und John, sowie weitere Verwandte und Bekannte. César und seine Familie leben in der Nähe der FS, auf der Isla Anaconda zwischen dem Rio Arajuno und dem Rio Napo. Sie gehören zu der einheimischen Kichwa-Gemeinschaft, welche eine eigene Sprache und eine eigene Kultur haben. Ich durfte sie bereits zweimal bei ihnen zuhause besuchen und hatte somit die Möglichkeit, ihre Kultur und Gastfreundlichkeit näher kennenzulernen. Zusammen mit César habe ich auch während dem Arbeiten viele interessante Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen, Heimatländer, Wildtiere, Fussballmannschaften, Biersorten usw.

Nebst den vielen neuen Persönlichkeiten lernte ich auch die Hunde Floh, Hector, Yuma und Sinchi kennen. Anfangs hatte ich noch ein bisschen Angst vor den Tieren, da sie beim Betreten des Grundstücks bellend auf einen zu rennen. Mir wurde aber schnell bewusst, dass sie nur ihren Job als Wachhunde ausüben und ansonsten sehr liebevoll sind und jede Streicheleinheit noch so gerne annehmen.

Die letzten 6 Wochen waren sehr lehrreich. So wurde ich z.B. mit den verschiedenen Prozessschritten der nachhaltigen Ressource und Baumaterial Bambus vertraut gemacht. Ich habe gelernt, wie Bambusstangen immunisiert resp. von den unzählbaren Insekten geschützt und gelagert werden, wie eine einheitlichen Faserfarbe erreicht wird, wie der Bambus in der Plantage gepflegt wird und last but not least: Wie damit etwas gebaut werden kann, beispielsweise eine Garage.
Während den morgendlichen Spazierwanderungen zu den Kühen (manchmal 20 Minuten, manchmal 1 bis 2 Stunden) und einigen längeren Urwaldrundgängen konnte ich bereits viel über die vorhandene Flora und Fauna und deren Dynamik lernen. Das Schöne, wenn man vor Ort ist: Man kann nicht nur Theoretisches lernen, sondern auch Praktisches sehen. Sichtungen von Wildtieren wie z.B. den Baumsteigerfrosch Rana venenosa ecuatoriana oder zahlreiche Spinnen sind für mich immer wieder ein Highlight.


Zu sehen gibt es leider auch Negatives. Zusammen mit Michi kontrollierten wir die Entwicklung einer illegalen Goldmiene, welche sich nur wenige Autominuten von der FS entfernt befindet. Voller Ernüchterung mussten wir feststellen, dass sie in wenigen Wochen stark gewachsen ist und die Betreiber bereits daran sind, weitere Bäume zu fällen und das Abbaugebiet zu erweitern. Des Weiteren fahren zurzeit täglich mehrere Sattelschlepper vorbei und beliefern eine Erdölförderungsfirma, welche sich wenige Stunden von der FS befindet. Nichtsdestotrotz geniesse ich meine Zeit hier und ich freue mich, auf die nächsten Projekte und Erfahrungen, welche wir in Angriff nehmen werden.