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Des einen Freud, des andern Leid

Wir haben mit der Kakaoernte begonnen. Da der Preis für Kakaobohnen so stark gestiegen ist redet man umso mehr von der goldenen Bohne bzw. vom Goldnugget (Pepa de Oro). Wie schon in vorangegangenen Beiträgen erwähnt, ist der Preis wegen des Ernteausfalls in Afrika in die Höhe geschnellt. Ecuador ist nach Afrika der zweitgrösste Produzent von Kakao und profitiert nun in vielerlei Hinsicht. Die Preise haben sich verdoppelt oder sogar verdreifacht, das kommt auf den Einkäufer und die Qualität an. Wir haben uns entschieden etwas früher als normal mit der Ernte zu beginnen.

Viele Früchte sind noch nicht reif, wir werden mehrmals ernten und das in kürzeren Abständen als bisher. Der Diebstahl von Kakaofrüchten hat drastisch zugenommen. Einzelne Bauern verbringen sogar die Nächte auf ihren Plangagen und Grossproduzenten stellen Sicherheitspersonal ein, um ihre Plantagen zu schützen. Die erste Ernte fiel bei uns sehr gut aus. Der Verjüngungsschnitt bei den Bäumen trägt nun im wahrsten Sinn des Wortes Früchte, und das gerade rechtzeitig. Auch der Pilz- und Insektenbefall war wenig, er belief sich nur auf ca. fünf Prozent. So wenig war es bei uns noch nie. Im Jahr zuvor waren es etwa zwanzig Prozent. Ein sehr positiver Effekt ist auch, dass die Leute wieder Kakao anpflanzen. Es werden Balsaplantagen geerntet und direkt Kakao gepflanzt. Die Preise für Balsaholz sind seit zwei Jahren im Keller und werden sich voraussichtlich nicht wieder erholen. Balsa lohnt sich nur, wenn man beim Landwirtschaftsministerium als Agroforstbetrieb registriert ist. Bei nicht registrierten Betrieben werden die Einkaufspreise gedrückt, um dann mit der Differenz das Holz zu legalisieren. Kakao braucht keine Lizenz, jeder darf seine Produktion legal verkaufen. Einzelne Gemeinden haben sogar die Goldwäscher rausgeschmissen, um Kakao zu pflanzen. Sie haben gemerkt, dass man mit Kakao langfristig mehr Geld verdienen kann. Sie haben auch gesehen, welche Zerstörung illegaler Goldabbau verursacht und dass für sehr lange Zeit nichts mehr wächst.

Michi hat bei unserem Bambuslager den Boden zementieren lassen. Uns war schon länger aufgefallen, dass in der Regenzeit der Naturboden Wasser zog und so das Trocknen und das Lagern immer etwas umständlicher wurde. Wir haben uns daher entschieden, diese Investition zu tätigen um eine schnellere Trocknung zu erreichen. Wir bestellten 24 m3 Steine, 24 m3 Sand und 100 Sack Zement.

Zuerst mussten die Steine schön gelegt werden, so dass auch das Gefälle stimmte. Zum Verkeilen kam eine Schicht Sand darauf und zum Schluss der Zement. Hört sich einfach an, muss aber alles von Hand gemacht werden.

Wie schon mehrmals geschrieben hat Michi von Zement keine Ahnung. Auch dieses Mal staunte er nicht schlecht über die angewandten Methoden. Er half einfach mit und war doch auch froh, wenn er vom Steine schleppen weg musste, um andere Arbeiten zu erledigen. Ja, auch er wird nicht jünger. Innert drei Tagen waren die Steine drin und weitere drei Tage später war der Zement drauf.

Wir staunen immer wieder, dass die Leute mit einfachsten Mitteln so ein gutes Ergebnis hinbekommen. Zum Abschluss und Übergabe des Auftrags gab es für Alle ein wohl verdientes Bier. Nach dem ersten Regen hatten wir dann auch die Bestätigung, dass gut gearbeitet wurde. Der Boden blieb trocken und das Spritzwasser ist gut abgelaufen.

Vor einigen Tagen wurden wir zu einem Bambusworkshop in Tena eingeladen. INBAR wollte gemeinsam mit Produzenten, Verarbeitern und Architekten besprechen, wie man den Bambus fördern kann und auf was man achten muss um einen einheitlichen Preis festlegen zu können. Vertreten waren dann auch Pflanzenschulen, die sich auf die Nachzucht von Bambus spezialisiert haben, Plantagenbesitzer, Verarbeiter, Veredler und Architekten. Zu unserem Erstaunen war sogar die Ministerin für Landwirtschaft mit ihrem Sekretär anwesend.

Alle waren sich einig, dass Bambus ein sehr grosses Potenzial hat und in dieser Region dringend gefördert werden sollte. Wir stellten aber auch fest, dass die Legalisierung von Bambus bereits beim Produzenten sehr schwer ist, wenn nicht sogar teilweise unmöglich. Wir wissen, dass wir uns auch in einer Grauzone befinden. Wir dürften eigentlich nur Bambus einkaufen bei Bauern, die registriert sind. Das ist aber in vielen Fällen nicht möglich, da sie keinen «legalen» Anspruch auf ihr Land haben. Wir sind tatsächlich registriert, aber eben als Produzent des Primärprodukts. So kaufen wir Bambus ein und deklarieren ihn als unseren eigenen. Ist nicht legal, aber so von der Ministerin empfohlen und geduldet. Unser nächster Schritt wird sein, eine Lizenz für die Veredlung und Verarbeitung von Bambus zu beantragen. Das würde uns sehr vieles einfacher machen. Das aber bedeutet wiederum, dass wir den Nachweis liefern müssen bei wem wir den Bambus einkaufen. Alle im Workshop waren sich einig, dass die Regierung den Ablauf vereinfachen muss. Nur hat Ecuador im Moment viel grössere Probleme als das Geschäft mit Bambus und so werden wir uns alle bis auf weiteres in der Grauzone bewegen müssen.

Dank des Workshops haben wir jetzt die Telefonnummer des Sekretärs und der Ministerin, die beide versprochen haben uns zu helfen falls wir Probleme mit anderen Behörden bekommen sollten. Das ist beruhigend, denn man beachte: Die Pflanzenschule muss sich beim Forstministerium anmelden, der Produzent beim Umweltministerium und der Veredler beim Landwirtschaftsministerium. Ja, da verliert man schnell den Überblick. Der Workshop war für uns sehr interessant und wir konnten neue Geschäftsbeziehungen knüpfen. Am interessantesten für uns ist, dass die Nachbargemeinde sich als Produzent registrieren lassen wird. So könnten wir tatsächlich legal einkaufen. Wie immer wird das aber noch ein laaanges Weilchen dauern und bis dahin verbleiben wir in der Grauzone. Wer weiss, vielleicht schaffen wir es und werden tatsächlich die ersten Bambusveredler der Provinz Napo die ihre Ware legal erwirbt und somit auch nachverfolgbar verkaufen darf.

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Visum Teil 2

Der Generalstreik wurde zum Glück nach 18 Tagen aufgehoben. Der Präsident bzw. seine Vertreter haben sich mit den Parteien an einen Tisch gesetzt. Bei einem Punkt wurde sofort eingelenkt, die Spritpreise wurden sogleich um 15 Cent gesenkt. Neu kostet nun eine Gallone Benzin $ 2.40. Um die anderen neun Punkte zu erfüllen hat die Regierung 90 Tage Zeit bekommen. Falls sie nicht innert dieser Frist erfüllt sein werden geht das ganze wieder von vorne los. Mal schauen wie es weiter geht. Bei uns hat sich nach dem Streik fast alles normalisiert und man bekommt auch wieder viele Produkte. Aber es wird schon noch etwas dauern bis wirklich alles wieder erhältlich sein wird.

Hector völlig erschöpft nach einer Klopapier-Party

Der Streik hatte auch Auswirkungen auf Joëlles Visum, die waren aber eher positiv. Da auch in Quito nicht gearbeitet werden konnte verlängerte sich die Eingabefrist beim Amt und so konnte unsere Anwältin alles rechtzeitig einreichen. Michael hatte ja bereits sein Visum erhalten da dafür als Sicherheit unser Land diente welches auf seinen Namen lautet. Joëlles Visum sollte einfach an Michis Visum angehängt werden weil wir ja verheiratet sind. Und dafür brauchte es, wie bereits berichtet, erneut per Express die internationale und apostillierte Heiratsurkunde. Am letzten Montag bekamen wir dann Bescheid, dass wir beide uns am Donnerstag bei der Ausländerbehörde in Quito einfinden müssen um zu prüfen ob wir eine Scheinehe führen. Dafür brauchte Michael aber natürlich schon wieder eine Migrationsbescheinigung der Ausländerpolizei wo drin steht wie oft und wann er ins Land ein- und ausgereist ist. Seine letzte Bescheinigung war nicht mehr gültig denn, wie könnte es auch anders sein, sie war älter als ein Monat. Weshalb dieses Dokument so enorm wichtig ist bleibt für uns ein Rätsel, denn man holt es bei der Ausländerpolizei und bringt es dann der Ausländerbehörde. Also fuhren wir einmal mehr nach Quito hoch. Das dauert ja auch grad mal nur vier bis fünf Stunden (wenn die Strasse in gutem Zustand ist). Für Michael organisierten wir einen Übersetzter der ihm bei der Befragung helfen würde. Die Beamten in Quito haben leider nicht viel Geduld und die Erfahrung zeigte, dass sie Fragen nicht gerne widerholen oder auch nur ansatzweise langsamer sprechen würden. Tatsächlich mussten wir, getrennt voneinander, einen schriftlichen Fragebogen mit 32 Fragen ausfüllen. Da wollten sie dann z.B. wissen was die jeweilige Lieblingsfarbe ist, was der Partner nicht gerne isst, wie die Geschwister heissen, was einem am Partner stört und wann und wo wir uns kennenlernten. Wir mussten sogar beschreiben wie das Haus in dem wir wohnen aussieht, wie viele Zimmer es hat, wie viele Fernseher wir haben und in welchen Zimmern sie sich befinden. Ja wir kamen uns etwas doof vor, vor allem auch deshalb weil die Überschrift des Fragebogens „Ehe von Ecuadorianern mit Ausländern“ hiess. Die Beamtin schaute die Fragenbögen kurz zwei Minuten durch und dann endlich bekam Joëlle ihr Visum. jetzt sind wir beide wieder legal in Ecuador, denn unsere Visa waren am 2. Juni abgelaufen. Nun steht aber schon der nächste Bürokratiewahnsinn an. Die Cédula (Identitätskarte) sollte theoretisch innert 20 Tagen nach Bewilligung des Visums gemacht werden. Tja Michael hat seinen Termin am 23. August beim Zivilstandsregister, um da einen Termin zur Erneuerung der Cédula zu beantragen. Hä? Genau: beim diesem Termin wird nur die Richtigkeit des Visums (welches man ja gerade vom Ausländeramt erhalten hat) und der erneut einzureichenden Dokumente geprüft. Joëlle hat ihren Termin übrigens erst am 16. September. Ja wir werden noch viel Zeit, Geld und Nerven brauchen bis wir alles haben.

Michi schweisst das Tor

Michael hatte noch vor dem Streik mit der Konstruktion eines Tors für die Bambusanlage begonnen. Leider musste das auch warten da wir nicht alle Materialien besorgen konnten. Nun ist es aber fertig und Michael ist mächtig stolz darauf, er hat es von A – Z selber gemacht und es sieht wirklich super aus. Natürlich musste er schon einige Leute um Rat bitten, besonders Thomas sein Bruder der Schlosser ist. Aber es ist ja schliesslich auch Michaels erstes selber konstruiertes Tor.

Diese Woche hatten wir zwei Mal Besuch von Gruppen aus Gemeinden in der Nähe von Tena. INBAR (International Bamboo and Rattan Organisation) hat das mit dem Ziel eines interkulturellen Austauschs organisiert. INBAR ist eine weltweit tätige Organisation die den Anbau und die Verarbeitung von Bambus und Rattan fördert. Der Chef von INBAR Tena war schon einmal privat bei uns zu Besuch und war sehr begeistert von unserm Konzept. Er findet unsere vielen kleinen aber nachhaltigen Projekte super. Sie fragten uns an ob wir unsere Modellfarm, den Schutzwald und natürlich unser Bambusprojekt vorstellen würden. Es kamen zwei Gruppen von je 15 Personen. Jaime, der Waldhüter von Selva Viva hat die Wald Tour gemacht und César hat unsere Finca und unsere Projekte vorgestellt. Da sowohl die Teilnehmer als auch unsere Mitarbeiter alle Kichwa sprechen, konnte der komplette Anlass in Kichwa durchgeführt werden. Für uns war es sehr erstaunlich, dass die Hälfte der Teilnehmer noch nie im Primärwald war und so einen Teil ihrer eigenen Natur kennen lernten. Zum Abschluss der jeweiligen Besuche hat uns Hilda, die Frau von César, ein typisches Mittagessen zubereitet. Es gab Fisch im Bananenblatt mit Yuca und Kochbanane. Die Teilnehmer waren allesamt begeistert und wir werden nächste Woche nochmals zwei Gruppen begrüssen dürfen. Viel verdienen wir dabei leider nicht, aber wir haben jetzt zumindest „einen Fuss in der Türe“ bei INBAR und wer weiss vielleicht fragen sie uns ja erneut an. Dann werden wir sicher nochmals über den Preis verhandeln. Aber für uns ist es vor allem wichtig anderen Leuten zu zeigen wie es auch anders gehen kann und ihnen neue Ideen mit auf den Weg zu geben.

César erklärt der Gruppe die Bambuskonstruktion unserer Hühnervilla
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